Anti-Terror-Einsatz Bundeswehr an Gefechten in West-Afghanistan beteiligt
Bis zu 300 Bundeswehrsoldaten sind an einer groß angelegten Nato-Militäroperation gegen "regierungsfeindliche Kräfte" in Afghanistan beteiligt. Sie wurden auch außerhalb des deutschen Nord-Sektors eingesetzt.
Berlin Die Operation "Harekate Yolo II" begann bereits Ende Oktober und umfasst Einsatzgebiete in den Provinzen Badghis und Faryab. Badghis liegt im Westen Afghanistans, in dem die italienische Armee die Federführung für Operationen der Nato-Schutztruppe Isaf hat. Faryab gehört zum der Bundeswehr unterstellten Sektor.
Deutsche Isaf-Soldaten in Kabul: Aus dem Westen wieder abgezogen
Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE waren zeitweise bis zu 300 deutsche Soldaten an der Operation beteiligt, bei der es Anfang der Woche auch heftige Schusswechsel gegeben hatte. Geführt wird die Operation von dem deutschen Kommandeur des Regionalkommandos Nord, Brigadegeneral Dieter Warnecke. Er hat sein Hauptquartier dazu von Mazar-i-Scharif nach Maimaneh verlegt. In den Kampfzonen stellt die Bundeswehr allerdings hauptsächlich Sanitätskräfte, Aufklärungs- und Nachschubkräfte.
Aufständische hatten die Provinz überrannt
An der Operation waren neben den Deutschen bis zu 900 afghanische Soldaten und Polizisten, etwa 200 Norweger, Italiener und kleinere Kontingente anderer Isaf-Nationen beteiligt. Die Afghanen standen dabei stets in vorderster Linie, um dem Einsatz, wie es hieß, ein "afghanisches Gesicht" zu geben.
Ein Grund für die Planung von "Harekate Yolo II" war, dass die Militanten mehrere Bezirke überrannt und letztlich die ganze Provinz Badghis unter ihre Kontrolle gebracht hatten, hieß es in Militärkreisen. Unter anderem hatten sie Polizeistationen überfallen und afghanische Sicherheitskräfte getötet. Außerdem hatten sie die lebenswichtige "Ring Road" blockiert eine Straße, die nahezu alle wichtigen afghanischen Städte miteinander verbindet. Mittlerweile sei die Provinz wieder unter Kontrolle der Regierung, auch die Ring Road sei wieder frei passierbar.
Bei den Gefechten gab es auf Seiten der Aufständischen 14 Tote, hieß es aus deutschen Militärkreisen. Die Nato meldete zunächst keine Verluste. Bei einer Unterrichtung des Verteidigungsausschusses des Bundestages am Mittwoch gab es jedenfalls keine entsprechenden Informationen.
Mittlerweile, heißt es aus deutschen Militärkreisen, seien die Bundeswehrsoldaten wieder aus dem italienischen Sektor abgezogen. Man sei jetzt "in einer Phase der Konsolidierung". Spätestens in einigen Wochen könnten die afghanischen Sicherheitskräfte übernehmen. "Es ging auch darum, Präsenz zu zeigen", sagte ein hochrangiger Bundeswehr-Offizier. In letzter Zeit seien "gehäuft" neue Gegner in den nördlichen Regionen aufgetaucht.
Die norwegische Tageszeitung "Aftenposten" zitierte den Kommandeur des norwegischen Isaf-Kontingents mit der Aussage, dass norwegische Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr in so schwere Kämpfe verwickelt gewesen seien wie bei den Gefechten am Montag in Afghanistan. Er könne mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass norwegische Soldaten dabei Menschen töteten, erklärte der norwegische Oberstleutnant John Inge Øglænd demnach weiter.
Tote bei Nato-Luftangriffen
Im Rahmen des Militäreinsatzes wurde auch mehrmals Unterstützung aus der Luft angefordert. Bei einem dieser Bombenangriffe wurde nach Angaben des afghanischen Verteidigungsministeriums mindestens ein hochrangiger Taliban-Führer getötet. Allerdings gab es auch unbestätigte Meldungen, denen zufolge dabei auch Zivilisten getötet wurden darunter Kinder.
Weil die afghanischen Truppen nicht über die technischen Möglichkeiten verfügen, Unterstützung aus der Luft anzufordern, muss der entsprechende Luftangriff von deutschen oder norwegischen Spezialisten, die die afghanischen Truppen begleiten, angefordert und dirigiert worden sein.
Die Bundeswehr beschränkt sich in Afghanistan in der Regel auf die Absicherung des Wiederaufbaus und nimmt nur sehr selten an Kampfeinsätzen teil. Sie verlässt auch in der Regel nicht ihren eigenen Sektor. Kampfeinsätze deutscher Truppen im kriegerischen Süden des Landes lehnt Berlin strikt ab, trotz Kritik von Seiten der Verbündeten, die dort regelmäßig Verluste erleiden.
Allerdings ist die Operation "Harekate Yolo II" kein Präzedenzfall. Erst vor wenigen Wochen gab es eine vergleichbare Aktion, als bis zu 160 Bundeswehrsoldaten südlich der Stadt Faizabad im Osten Afghanistans zusammen mit etwa 400 afghanischen Soldaten und Polizisten auf der Suche nach Taliban und Kriminellen zum Einsatz kamen.
Taliban kündigten Offensive im Norden an
Sowohl das deutsche Verteidigungsministerium als auch alle Fraktionen im Bundestag, die das Isaf-Mandat unterstützen, gehen davon aus, dass "Harekate Yolo II" das Mandat nicht verletzt. Es erlaubt Aktionen außerhalb des eigentlichen Mandatsgebiets allerdings nur "zeitlich und räumlich begrenzt" - und wenn der Einsatz im Hinblick auf die Isaf-"Gesamtoperation" unabweisbar sei.
"Im Kern macht es Sinn, dass man solche Sicherheitsmissionen, die eindeutig Bestandteil des Isaf-Mandats sind, in Koordination mit den Nachbarregionen macht", sagte Alex Bonde, der für die Grünen im Verteidigungsausschuss sitzt.
Kritik kam aus den Reihen der Linksfraktion. Der Sicherheitspolitiker Paul Schäfer sagte, die Operation zeige "eine neue, beunruhigende Qualität". Es liege nahe, "dass wir nun auch im Norden Gefahr laufen, in einen militärischen Konflikt wie im Süden Afghanistans zu schlittern."
Der Taliban-Kommandeur Mansur Dadullah hatte erst letzte Woche angekündigt, eine Offensive im bislang verhältnismäßig ruhigen Norden Afghanistans zu starten. "Unsere Mobilisierung im Norden hat begonnen. (...) Im Norden soll derselbe Zustand erreicht werden wie im Süden", sagte er in einem Propaganda-Interview, das am 1. November im Internet verbreitet wurde.