Menschenrechte in Bahrain Wer unbequem wird, fliegt raus
Im Königreich Bahrain werden Aktivisten schon wegen eines unliebsamen Tweets monatelang weggesperrt. Neuerdings entzieht das Land Menschen, die ihrer "Pflicht zur Loyalität" nicht nachkommen, sogar die Staatsbürgerschaft.
Said Yousif Al-Muhafdah steht vor einem Berliner Hotel, in dem das Königreich Bahrain zu einer Ausstellung eingeladen hat. Der 32-Jährige ist bahrainischer Menschenrechtler. Drinnen will die Gesellschaft der ausländischen Arbeiter in Bahrain zeigen, wie tolerant und offen ihr Gastland ist. Am Eingang der Ausstellung hängt ein Gedicht zu Ehren von Bahrains ältestem Königsohns. Es fängt an mit dem Satz: "Er ist ein super Kronprinz."
Aber Muhafdah, der bahrainische Menschenrechtler, ist in der Ausstellung unerwünscht. Er muss draußen auf dem Gehweg bleiben, gut zehn Meter vom Hoteleingang entfernt. Dort hat er eine Gegendemonstration angemeldet, und eine Handvoll Aktivisten ist gekommen. "Keine Beleidigungen und keine verletzenden Bilder!", belehrt ihn ein Polizist. Muhafdah zeigt dem Beamten die Plakate in seiner Lidl-Tüte. "Geht das? Da ist Blut drauf", fragt Muhafdah. Einige der Poster zeigen die Leichen von erschossenen Demonstranten. "Das geht", meint der Polizist.
Drinnen werden die Besucher in den Präsentationssaal gelotst, damit sie die Rufe von draußen nicht mehr hören. Sie werden an den Infoständen der Katholiken, Juden und Buddhisten von Bahrain vorbeigelotst. Sogar eine "Gesellschaft für Toleranz von Bahrain" gibt es. Man weiß genau, was im Westen ankommt. Das Königreich sorgt sich um seinen Ruf. Für Eigenwerbung gibt es jährlich Millionen aus.
Das kleine Land hat Hunderte politische Gefangene
Bahrain ist kein geächteter Staat wie Syrien oder Nordkorea. Neben dem Ölexport bringt seine Rolle als regionales Finanzzentrum Geld ein. Mehr als die Hälfte der 1,3 Millionen Einwohner sind ausländische Gastarbeiter.
In dem Staat im Persischen Golf lässt es sich gut leben - es sei denn, man gehört zur kleinen Gruppe bahrainischer Aktivisten, die von Demokratie und Menschenrechten träumen. Für sie hat das Königreich wenig Toleranz übrig. Vielen in Bahrain gelten sie als Unruhestifter. Seit den Protesten 2011 geht die Regierung immer strenger gegen Kritiker vor. Die wichtigste Oppositionspartei wurde am Dienstag verboten. Fast alle prominenten Menschenrechtler sind in Haft oder im Exil.
- Nabil Radschab: Der 50-Jährige leitet das bahrainische Zentrum für Menschenrechte. Er verbrachte wegen seiner Teilnahme an Demonstrationen bereits über zwei Jahre im Gefängnis. Im August wurde er nur rund zwei Monate nach seiner Freilassung erneut verhaftet, weil er in einem Tweet die "staatlichen Institutionen beleidigt" haben soll. Dafür drohen ihm bis zu drei Jahre Haft. Er hatte getweetet, dass viele bahrainische Männer, die sich den Dschihadisten in Syrien anschlössen, zuvor in Bahrains Sicherheitskräften gedient hätten. Daher hätten sie ihr sunnitisch-fundamentalistisches Weltbild.
Bahrain ist zwar mehrheitlich schiitisch, wird aber von der sunnitischen Minderheit regiert. Die zunehmenden Spannungen in der Region zwischen beiden Glaubensrichtungen des Islam verschärfen den Konflikt im Land.
- Zeinab al-Khawadscha: Die 31-Jährige ist derzeit wegen Majestätsbeleidigung in Haft - sie zerriss öffentlich ein Foto des Königs. Ihr drohen bis zu sieben Jahre Haft. Sie stammt aus einer politisch engagierten Familie: Vater Abdulhadi al-Khawadscha wurde 2011 zu lebenslanger Haft verurteilt. Schwester Mariam ist ins Exil geflohen und lebt in Dänemark.
Insgesamt gehen Menschenrechtsorganisationen von mehreren Hundert politischen Häftlingen in Bahrain aus - für ein kleines Land mit nur rund 600.000 Staatsbürgern ist das sehr viel. Zudem können Bürger seit dem Sommer sogar aus dem Land geworfen werden, wenn sie ihrer "Pflicht zur Loyalität" nicht ausreichend nachkommen.
Und die Regierung meint das ernst: Schon im November 2012 wurde 31 Menschenrechtsaktivisten und schiitischen Geistlichen die Staatsbürgerschaft entzogen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt außer Landes aufhielt, konnte plötzlich nicht mehr nach Hause. Wer sich in Bahrain befand, galt über Nacht als Ausländer. Nur zehn aus dieser Gruppe sind noch in ihrem Heimatland - in Abschiebehaft.
"Man muss einen hohen Preis zahlen"
Muhafdah hat noch seine Staatsbürgerschaft, lebt aber seit Ende 2013 im Exil. Deutschland hat ihm politisches Asyl gewährt. Er engagiert sich als Vizechef des bahrainischen Zentrums für Menschenrechte nun von Berlin aus für seine Heimat. "Man muss einen hohen Preis zahlen, wenn man in Bahrain bleibt", sagt er. Muhafdah wurde insgesamt sieben Mal verhaftet, weil er von Demonstrationen twitterte oder mit internationalen Journalisten sprach. 2013 saß er tagelang in Einzelhaft. Er hat zwei kleine Töchter. Ihm war klar: Bleibt er mit seiner Familie in Bahrain, bringt er alle in Gefahr.
Seit 2011 haben 30 Bahrainer in Deutschland politisches Asyl erhalten. Dass die Menschenrechtssituation zu wünschen übrig lässt, ist in Berlin klar. "Trotz der Differenzen in der Bewertung der innenpolitischen Lage" habe man aber ein gutes Verhältnis, heißt es beim Auswärtigen Amt.
Natürlich träumt Muhafdah davon, mit Frau und Kindern eines Tages in die Heimat zurückkehren zu können. Doch vorerst ist Deutschland ihr Zuhause. Der 32-Jährige freut sich, dass seine Tochter in ihrer Schule die einzige Araberin ist. "Sie lernt so schnell Deutsch."