Anschläge von Paris Bataclan-Überlebender rannte schon an 9/11 um sein Leben
Daniel Psenny filmte aus seiner Wohnung, wie panische Konzertbesucher aus den Fenstern des Bataclan kletterten. Als er einen Verletzten von der Straße holte, wurde er selbst angeschossen. Nun haben sich beide Männer wiedergetroffen.
Es war die wohl schrecklichste Nacht, die Daniel Psenny erlebt hat. Der Journalist von "Le Monde" wohnt in der Straße in Paris, in die die Notausgänge des Bataclan münden. Von ihm stammt der Handyfilm, der die schrecklichen Szenen nach dem Angriff der Terroristen zeigt. Menschen rennen schreiend über die Straße, Schwerverletzte liegen am Boden, andere humpeln gestützt von Freunden davon.
In einem Videointerview mit "Le Monde" erzählt Psenny nun, wie er die dramatischen Stunden erlebt hat. Und er berichtet, dass er im Krankenhaus den Mann wiedergetroffen hat, den er in sein Haus gezogen und gerettet hatte. Der Journalist wurde dabei selbst von einer Kugel an der Schulter getroffen. Das Interview entstand im Krankenhaus.
"Ich hörte Lärm und öffnete das Fenster", erzählt Psenny. Er wirkt trotz der schrecklichen Erlebnisse gefasst. "Erst dachte ich, es ist eine Rauferei nach einem Konzert." So etwas habe es öfters am Bataclan gegeben. "Aber als ich die Schüsse wahrnahm, dachte ich, da schießt jemand im Saal. Vielleicht fliehen die Leute ja in Panik." Es sei wohl ein journalistischer Reflex gewesen, dass er das Ganze sofort gefilmt habe.
Nach etwa zehn Minuten habe sich die Lage beruhigt, geschossen wurde nicht mehr. Vorerst. "Ich ging dann runter und öffnete die Haustür, damit Leute zu uns ins Haus flüchten konnten. Ich schaute kurz raus auf die Straße. Rechts von unserem Haus lag ein Mann. Mit einer anderen Person habe ich ihn ins Haus geholt." Das Opfer war ein am Bein verletzter Amerikaner. Er heißt Matthew.
Video: Augenzeuge Psenny filmt Anschlag auf das Bataclan
Matthew wurde im Bataclan verwundet: "Als ich Schüsse hörte, bin ich sofort Richtung Ausgang gerannt", sagt er "Le Monde". Dann traf ihn eine Kugel in die Wade. Wenige Meter vom Ausgang entfernt habe er noch im Bataclan gelegen - und sich dann kriechend nach draußen bewegt.
Nach seiner Rettung in das Haus des Journalisten Psenny habe er sich mehrfach übergeben. Sein Mobiltelefon war bei der Flucht verloren gegangen und er brauchte zwei Stunden, um sich wieder an die Telefonnummer seiner Frau zu erinnern und sie anzurufen.
Vor dem Haus gingen die Anti-Terror-Einheiten in Stellung, um den Klub zu stürmen. Niemand durfte das Haus verlassen. Auch die beiden Verletzten nicht.
Video: Konzertbesucher filmt Beginn des Angriffs
Nach einigen Tagen im Krankenhaus habe er sich gefragt, was wohl aus Matthew geworden sei. Über Nachbarn aus seinem Haus habe er erfahren, dass der Amerikaner nur ein paar Zimmer weiter im selben Krankenhaus liegt. Beide wurden nicht lebensgefährlich getroffen.
Matthew nennt Psenny nun "seinen Engel". Für den 36-jährigen Amerikaner war der Konzertbesuch nicht die erste Erfahrung mit islamistischem Terror. Am 11. September 2001 war er zu Fuß vom World Trade Center aus durch halb Manhattan geflüchtet, nachdem ein Flugzeug in das Gebäude gekracht war. "Aber was ich im Bataclan erlebt habe, war tausendmal schlimmer."
hda