Prozess um Sexpartys bei Berlusconi Milliardär in Angst
In Mailand beginnt die zweite Runde im Ruby-Prozess. Für Ex-Premier Silvio Berlusconi geht es dabei um alles. Vertraute sagen: Italiens einst mächtigster Politiker fürchtet sich.
Lange war er still und zahm. Seit Wochen kam von Silvio Berlusconi kaum eine Attacke gegen "rote Roben" oder andere "Kommunisten", stattdessen freundliche Schützenhilfe für die Reformen des politischen Gegners. Gestern brach es dann wieder heraus. "Unkontrolliert, unkontrollierbar und unverantwortlich" seien Italiens Staatsanwälte und immer hinter ihm her. Der Staat, der Präsident, die Regierung müssten sein Engagement endlich honorieren und ihn vor der Justiz schützen.
Was ist los mit Silvio Berlusconi? Er hat Angst, sagen Leute, die ihn kennen und Kontakt zu ihm haben.
Der Grund dafür ist das Berufungsverfahren im sogenannten Ruby-Prozess, das an diesem Freitag in Mailand beginnt. In erster Instanz ist der frühere Regierungschef Italiens zu sieben Jahren Haft verurteilt worden, wegen Amtsmissbrauchs und sexueller Beziehungen zu der damals minderjährigen Ruby - eigentlich Karima el-Marough, aber in italienischen Medien "Ruby Rubacuori", deutsch: Herzensbrecherin, genannt. Er habe nicht gewusst, dass Ruby minderjährig war, und er hätte ohnehin keinen Sex mit ihr gehabt, hatte Berlusconi sich verteidigt.
Die Affäre war nach einer der berühmt-berüchtigten Bunga-Bunga-Partys bei Berlusconi ins Rollen gekommen. Die Polizei hatte Ruby festgenommen, unter Diebstahlverdacht. Der damalige Ministerpräsident hatte sich telefonisch eingeschaltet und ihre Freilassung gefordert, weil er geglaubt habe, Ruby wäre eine Nichte des ägyptischen Präsidenten Mubarak.
Die Richter glaubten diese Version der Ereignisse nicht. Bestätigt das Berufungsgericht die in erster Instanz verhängte Strafe, ist die Gefahr für Berlusconi sehr groß, dass sich danach auch eine weitere, die dritte und letzte Instanz dem Verdikt anschließt. Damit wäre seine Freiheit wohl dahin. In eine Gefängniszelle müsste der 77-Jährige zwar, altersbedingt, auch dann nicht. Doch droht ihm ein sehr langer Hausarrest mit Politikverbot.
Vorbestraft - doch Glück gehabt
Schon jetzt ist der Mann, der Italien in den vergangenen 20 Jahren geprägt hat wie kein anderer, nur dank glücklicher Umstände auf freiem Fuß. Denn im August vorigen Jahres war er rechtskräftig zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs verurteilt worden. Doch drei Jahre wurden ihm dank eines Amnestiegesetzes erlassen, das die Mitte-links-Regierung von Romano Prodi 2006 eingeführt hatte, um die überfüllten Gefängnisse zu leeren. Für das restliche Jahr darf er in einem Altersheim einen halben Tag pro Woche "Sozialdienst" ableisten.
Mit solcher Milde wäre es nach einem erneuten Urteil im Ruby-Prozess vorbei. Die Amnestie würde dadurch aufgehoben. Die drei Jahre aus dem Steuerverfahren kämen zum neuen Strafmaß hinzu: Bleibt es da bei sieben Jahren Gefängnis, wie in erster Instanz entschieden, wären es mithin insgesamt zehn Jahre Hausarrest. Kein Wunder, dass der Angeklagte Angst um seine Zukunft hat.
Wähler weg, Abgeordnete weg, Geld weg
Das Glück scheint Berlusconi ohnehin verlassen zu haben. Erst ist er aus dem Parlament geflogen, dann musste er seinen geliebten Ehrentitel "Cavaliere" - etwa: Held der Arbeit - ablegen. Bei den Europawahlen vor vier Wochen kam seine Partei abgeschlagen nicht einmal auf 17 Prozent und wurde nur Dritte. Ein Teil seiner Gefolgsleute ist bereits abgewandert, angeführt von seinem einstigen politischen Ziehsohn Angelino Alfano. Nun geht der Truppe auch noch das Geld aus.
Bislang sorgte der Staat mit üppigen Finanzzuwendungen für politische Gruppierungen. Und wenn das nicht reichte, schoss der mehrfache Milliardär Berlusconi noch etwas zu. 2013 soll er, nach italienischen Medienberichten, mehr als hundert Millionen Euro spendiert haben.
Doch jetzt gilt ein neues Parteiengesetz. Demnach gibt es aus der Staatskasse viel weniger, nächstes Jahr noch weniger und ab 2017 gar nichts mehr. Darüber hinaus sind private Parteispenden auf bis zu 100.000 Euro begrenzt. 41 Mitarbeitern, heißt es, habe die Berlusconi-Partei in dieser Woche Kündigungsschreiben geschickt. Und mit dem Vermieter der Parteizentrale in Rom streitet man sich aktuell über 100.000 Euro Mietrückstände.
Ruby - Luxusleben im Jetset
Da hat es Ruby viel besser, das "Showgirl", wie sie sich selbst nennt, das dem Prozess gegen Silvio Berlusconi den Namen lieh. Die inzwischen 22-Jährige düst von einem Millionärsfest zum nächsten, ist heute zum Shopping in den Emiraten und morgen am mexikanischen Nobelstrand Playa del Carmen, wo sie ihr "Casa Sofia" baut, ein Mix aus Restaurant und Edelherberge.
Ihren alten Gönner Berlusconi wird sie womöglich bald mal wieder sehen - vor Gericht. Denn die Mailänder Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn und 44 weitere Personen wegen systematischer Bestechung von Zeugen: Etliche Frauen, die bei den Bunga-Bunga-Partys anwesend waren, hatten in fast wortgleichen Aussagen zu Protokoll gegeben, nichts gesehen oder gehört zu haben auf den Festen. Zu diesen Damen gehört auch Ruby.