Syriens Propaganda-Krieg Offensive an der Twitter-Front
Damaskus reagiert mit zunehmender Nervosität: Die Armee ist in der Hauptstadt nicht mehr Herr der Lage - und auch in den Medien hat das Regime die Deutungshoheit verloren. Mit einer Twitter-Offensive versucht die staatliche Agentur Sana die Propagandaschlacht zu gewinnen.
Das Regime in Syrien wird zunehmend nervös und intensiviert den Kampf an der Propagandafront. Sana, die staatliche Nachrichtenagentur Syriens und offizielles Sprachrohr von Damaskus, hat seit Sonntag eine regelrechte Twitter-Offensive gestartet. Während Sana normalerweise im Durchschnitt eine Handvoll Nachrichten am Tag über seinen englischsprachigen Account bei Twitter verschickt, waren es in den vergangenen 24 Stunden plötzlich 35 - Tendenz steigend.
Zudem ist der Tenor auf Sana nun ausschließlich ernst. Während die Nachrichtenagentur in den vergangenen Wochen noch absurde Tweets wie "Heute 35 Grad in Damaskus" und "Pool Party mit DJ Beatmate und Majd al-Ali im Carlton Hotel" verschickte, ist man inzwischen ganz auf Endkampf eingeschworen.
Groß werden die Erfolge der syrischen Armee gegen die bewaffneten Aufständischen in der Hauptstadt und den Vororten vermeldet: "Das syrische Staatsfernsehen zeigt die Leichen getöteter Terroristen aus Ägypten und Jordanien", heißt es, und: "Die Behörden von Damaskus haben die Terroristen im Vorort Berzeh erfolgreich gejagt."
Dankbar wird ausschließlich der Teil in Berichten westlicher Medien zitiert, der die eigene Version der Dinge bestätigt. So verweist Sana auf den Bericht einer britischen Zeitung vom Sonntag, in dem es heißt, dass über 300 Aufständische von Ex-Mitgliedern britischer Spezialeinheiten im Irak und in Saudi-Arabien geschult wurden.
Sana multipliziert Durchhalteparolen
Die syrischen Staatsmedien halten seit Beginn der Aufstände daran fest, dass die Proteste vom Ausland und von ausländischen Milizen getragen würden. Anfangs handelte es sich jedoch um friedliche Demonstrationen im Land, die das Regime brutal unterdrückte. Mehr als ein Jahr nach Beginn der Proteste haben sich jedoch manche der Regime-Prophezeiungen wie ausländische Unterstützung erfüllt.
Dazu multipliziert Sana die Durchhalteparolen. Immer wieder werden Nachrichten veröffentlicht, die zeigen sollen, dass Präsident Baschar al-Assad keinesfalls allein dasteht: "Syrer in Russland organisieren eine Solidaritätsveranstaltung" - "Irans Außenminister beschreibt die Situation in Damaskus als ruhig und normal" - "Der libanesische Außenminister sagt, Syrien ist ein starkes Land und wird die Krise überwinden."
Ähnliche Berichte drucken auch die regimetreuen Zeitungen "Tischreen" und "Baath" auf ihren Titelseiten - mit Verweis auf das syrische Staatsfernsehen oder Sana.
An der Propagandafront gerät das syrische Regime zunehmend in Bedrängnis. Vergangene Woche sollen die arabischen Satelliten dem regimenahen Sender Addounia das Programm abgewürgt haben. Im Internet ist der Sender allerdings nach wie vor verfügbar. Auch wurde die Webseite von Sana immer wieder vorübergehend gehackt und lahmgelegt.
Große arabische Sender zeigen Sicht der Rebellen
Gleichzeitig können sich die bewaffneten Aufständischen über mangelnde Darstellung ihrer Sichtweise nicht beschweren. Die großen arabischen Fernsehsender al-Arabija und al-Dschasira übernehmen fast vollständig und unkommentiert die Berichte der Rebellen - und das teils stundenlang.
Eine Sana-Meldung zeigt, wie nervös das Regime im Propagandakrieg mittlerweile ist. Darin warnte das syrische Informationsministerium, westliche Geheimdienste wollten den Kanal des Staatsfernsehens hacken und das offizielle Programm durch Falschmeldungen ersetzen. Möglicherweise würden diese falschen Berichte sogar von den Sprechern des syrischen Staatsfernsehens selbst vorgetragen - indem man die Sprecher entführe und zu solchen Aussagen zwinge.
Es ist nicht bekannt, ob Mitarbeiter des syrischen Staatsfernsehens tatsächlich von Aufständischen entführt wurden, ob manche von ihnen vielleicht zu den Rebellen überliefen - oder ob Damaskus schlicht befürchtet, das Gebäude des Senders könnte den Rebellen in die Hände fallen.
Es zeichnet sich jedoch ab: Das Regime hält sich offenbar selbst in den Studios des Staatsfernsehens, im Zentrum seiner Macht, nun für verwundbar.