Schlacht um Mossul Der Drohnenkrieg des IS
Der IS setzt in der Schlacht um Mossul dutzendfach bewaffnete Drohnen ein - mit tödlichen Folgen für die Eroberer. Könnten Terroristen auch im Westen unbemannte Flugzeuge mit Waffen ausrüsten?

In der Schlacht um Mossul lauerte die größte Gefahr lange im Untergrund: Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hatte gewaltige Tunnelsysteme in der Stadt und den Vororten angelegt, in denen sich ihre Kämpfer verbargen und in denen sie Sprengfallen zurückließ. Hunderte irakische Soldaten und Milizionäre haben in den unterirdischen Gängen ihr Leben verloren.
Doch inzwischen lauert eine mindestens ebenso große Gefahr am Himmel über Mossul. Seit Dezember hat der IS nach Angaben des US-Militärs knapp 30-mal Drohnen eingesetzt, die Sprengsätze über Stellungen der irakischen Armee und ihrer Verbündeten abwarfen. Dabei seien etwa ein Dutzend irakischer Soldaten getötet und mehr als 50 weitere verwundet worden.
Ende Januar veröffentlichte der IS ein Propagandavideo, das erstmals Kampfdrohnen im Einsatz zeigt. In dem Film sind 19 Luftangriffe auf irakische Sicherheitskräfte zu sehen, bei denen offenbar mehrere Soldaten getötet und verletzt wurden. Unter anderem zeigen die Aufnahmen zwei IS-Kämpfer, die eine Drohne am Ufer des Tigris starten lassen. Auf der Unterseite beider Flügel sind Granaten zu sehen, wie sie später über Stellungen der irakischen Armee abgeworfen werden.
Woher bekommt der IS seine Drohnen? Wo und wie werden sie eingesetzt?
Die vom IS eingesetzte Drohne vom Typ Skywalker X8 kann jedermann im Internet bestellen - für knapp 200 Euro. Mit der mitgelieferten Fernsteuerung lässt sich das Fluggerät aus rund fünf Kilometer Entfernung steuern. Mit Hilfe von noch leistungsstärkeren Transceivern ließe sich die Drohne nach Einschätzung von Experten des Fachmagazins "Jane's Defence Weekly" auch aus bis zu 50 Kilometern Distanz lenken.
Neben der Skywalker-Drohne setzt der IS offenbar auch sogenannte Quadrocopter ein. Diese mit vier Rotoren angetriebenen Flugzeuge haben den Vorteil, dass sie ähnlich wie ein Hubschrauber in der Luft stehen können. Dadurch lassen sich Ziele am Boden präziser treffen. Und auch die Quadrocopter lassen sich günstig und leicht beschaffen.
Damit ist die Drohne eine ideale Waffe für die Dschihadisten. Für wenig Geld und mit geringem technischen Aufwand kann der IS seinen Feinden schweren Schaden zu fügen. Und mindestens ebenso wichtig: Die mit Kameras bestückten Drohnen liefern den Terroristen spektakuläre Bilder für ihre Propaganda.
Zu diesem Zweck hat die Miliz unbemannte Flugzeuge schon seit 2014 eingesetzt. Sie filmten Selbstmordattentäter aus der Luft und Militäranlagen, die der IS von der irakischen Armee erobert hatte. Daneben benutzte die Terrororganisation die Drohnen zur militärischen Aufklärung. Aus der Luft spionierten die Flugzeuge feindliche Stellungen aus.
Im vergangenen Jahr stieg der IS dann in den Drohnenkrieg ein. Im Oktober 2016 töteten die Terroristen zwei kurdische Peschmerga-Kämpfer mit Hilfe einer Drohne. Die Dschihadisten hatten eine Bombe in dem Fluggerät versteckt. Der Sprengsatz explodierte, nachdem die Kurden die Drohne gefunden hatten und in ihrem Stützpunkt untersuchen wollten.
Bei der Eroberung von Ost-Mossul ist die Harvard-Wissenschaftlerin Vera Mironova, die mit einer irakischen Einheit in die Stadt eingerückt ist, in einer verlassenen Drohnenwerkstatt auf interne IS-Papiere gestoßen. Sie hat die Unterlagen dem Combating Terrorism Center der US-Militärakademie West Point zur Verfügung gestellt.
Bestellung über das Internet
Aus den rund 30-seitigen Dokumenten geht hervor, dass der IS spätestens seit 2015 ein professionelles Drohnenprogramm betreibt. Zu dem Datensatz gehören Einkaufslisten, in denen die Miliz unter anderem GoPro-Kameras, Propellerblätter und Servomotoren aufführte. Diese Motoren können eingesetzt werden, um den Mechanismus zu betreiben, mit dem Sprengsätze von der Drohne abgeworfen werden.
Offenbar bestellten Angehörige des IS außerhalb des Irak und Syriens die Drohnen und das Zubehör über das Internet. Von dort aus wurden die Teile dann ins IS-Gebiet geschmuggelt. "Es muss mit Sicherheit so etwas wie eine Lieferkette gegeben haben", sagt Damien Spleeters, der für West Point die Dokumente ausgewertet hat.
Ausländische IS-Kämpfer spielen bei dem Drohnenprogramm offenbar eine wichtige Rolle. Unter anderem ist in den Unterlagen von Männern aus Saudi-Arabien, der Türkei und Bangladesch die Rede.
Nicht nur deshalb fürchten westliche Sicherheitsbehörden, dass die Terroristen auch in Europa Drohnen als Waffen einsetzen könnten. Die kleinen Fluggeräte lassen sich leicht beschaffen - schwieriger wird es jedoch, sie mit Sprengstoff zu bestücken. Selbstgebastelte Rohrbomben wären zu schwer.
Irakische Truppen fordern Störsender
Dagegen findet der IS in Mossul perfekte Bedingungen für seinen Drohnenkrieg vor. Die Front liegt nur wenige Kilometer von den Bombenwerkstätten der Dschihadisten entfernt. Die feindlichen Truppen stehen inzwischen direkt auf der anderen Uferseite des Tigris und sind damit auch für Drohnen mit geringer Reichweite leicht zu erreichen. Selbst wenn die irakische Armee die Position des Drohnenpiloten und seiner Fernsteuerung ortet, kann sie ihn kaum mit einem Luftschlag ausschalten, weil die IS-Terroristen in Wohnhäusern oder Moscheen Position beziehen.
Die Regierungstruppen in Mossul haben inzwischen um die Lieferung von Störsendern gebeten, mit denen die Funksteuerung der Drohnen verhindert werden soll. Wie verlässlich das funktioniert, ist noch unklar.
Mittelfristig dürfte ein logistisches Problem den Drohnenangriffen des IS ein Ende setzen: Mossul ist von der Außenwelt abgeschnitten, damit kommen auch keine Drohnen oder Zubehör mehr zu den Dschihadisten. Irgendwann werden die Terroristen in Mossul ihre letzte Drohne verloren haben.