Verschwundener Journalist Khashoggi Mit Trump und Erdogan für die Meinungsfreiheit
Die Indizien verdichten sich, dass das saudi-arabische Regime den Journalisten Jamal Khashoggi hat verschwinden lassen. Der Westen sollte der Türkei gegenüber Riad beistehen.
"Das Schicksal Khashoggis ist ein Test für die gesamte Welt im Hinblick auf Meinungs- und Pressefreiheit. Einen Bürger nur wegen seiner kritischen Haltung zu bestrafen, verstößt gegen sämtliche humanistische Werte."
Nicht US-Präsident Donald Trump schreibt das auf Twitter. Und auch nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sondern Ahmet Davutoglu, der frühere türkische Premier.
Nun ist mindestens verstörend, solche Worte von einem Politiker zu lesen, der bis 2016 einer Regierung angehörte, die mehr Journalisten ins Gefängnis gebracht hat als jede andere. Auf Twitter empören sich Nutzer zu Recht über die Doppelmoral der türkischen Führung, die im Fall Khashoggi plötzlich ihre Leidenschaft für Meinungsfreiheit entdeckt.
Und trotzdem hat Davutoglu recht: Sollte der Westen den mutmaßlichen Mord an Khashoggi durch das Regime in Riad unbeantwortet lassen, verspielt er einmal mehr seine Glaubwürdigkeit in der Region.
Die Informationspolitik der türkischen Regierung war bislang durchaus konfus: Einerseits beteuert Präsident Recep Tayyip Erdogan, man hoffe nach wie vor darauf, dass Khashoggi wohlbehalten wieder auftauche, anderseits stechen seine Behörden permanent Informationen an die Medien durch, die das Gegenteil nahelegen. Laut Medienberichten liegen Ankara Ton- und Videoaufnahmen vor, die den Mord an dem Journalisten beweisen. Umso wichtiger ist es, dass Europa und die USA gegenüber Riad mit aller Macht auf Aufklärung drängen.
Die Indizien, die darauf hindeuten, dass Saudi-Arabien Khashoggi hat verschwinden lassen, sind erdrückend: Sicherheitskameras der türkischen Polizei haben festgehalten, wie Khashoggi das saudi-arabische Konsulat in Istanbul am 2. Oktober um 13.14 Uhr betrat. Seine Lebensgefährtin hat stundenlang vergeblich vor dem Gebäude auf ihn gewartet.
Riad hat am selben Tag 15 Beamte, darunter Geheimagenten, ein Forensiker und ein Autopsie-Experte, nach Istanbul entsandt. Die Männer blieben nur für wenige Stunden in der Stadt. Der US-Geheimdienst hat ein Gespräch abgehört, in dem saudi-arabische Offizielle darüber beraten, Khashoggi zu kidnappen.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman behauptet lapidar, Khashoggi habe das Konsulat nach wenigen Stunden wieder verlassen. Wie schon bei seinem Krieg im Jemen oder der Unterdrückung von Kritikern im eigenen Land ist ihm offenbar egal, welchen Eindruck er damit in der Welt hinterlässt. Mohammed bin Salman ist überzeugt, dass die finanzielle Macht seines Königreichs ausreicht, um mit jedem noch so brutalen Verbrechen davonzukommen.
Präsident Erdogan hat sich, aus welchen Gründen auch immer, entschieden, sich im Fall Khashoggi dem Druck Saudi-Arabiens nicht zu beugen. Der Westen sollte ihm beistehen - notfalls mit Sanktionen gegen Riad.