Flugzeugunglück in der Ostukraine Der rätselhafte Absturz von MH17
Im Osten der Ukraine ist ein Flugzeug mit knapp 300 Passagieren an Bord abgestürzt. Die Regierung in Kiew bezichtigt die prorussischen Separatisten, die Maschine abgeschossen zu haben - die bestreiten die Vorwürfe.
Das ist passiert:
- In der Ukraine ist eine Boeing 777 der Malaysia Airlines abgestürzt. Der Jet wurde vermutlich abgeschossen.
- Die ukrainische Regierung und prorussische Separatisten weisen sich gegenseitig die Schuld zu.
- Flug MH17 war auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur. An Bord waren 298 Menschen. Die meisten Passagiere waren Niederländer. Unter den Opfern sind vier Deutsche.
- Der Luftraum über der Ukraine ist nun geschlossen.
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Die Boeing 777 mit der Flugnummer MH17 war auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur. Sie sei aus einer Flughöhe von rund 10.000 Metern abgestürzt, hieß es. Alle Passagiere seien sofort tot gewesen - unter ihnen Dutzende Niederländer, US-Amerikaner und einige Franzosen. Über deutsche Opfer gab es zunächst keine Informationen.
Wie aber kam es zu dem Absturz? Handelt es sich um einen Unfall? Die malaysische Regierung rief zur Ruhe auf, der Fall werde noch untersucht.
Die Konfliktparteien der Region bezichtigen sich gegenseitig, für das Unglück verantwortlich zu sein. Ein ukrainischer Regierungsberater war sich sicher: Nur die prorussischen Separatisten können das Flugzeug abschossen haben. "Gerade eben haben die Terroristen ein Zivilflugzeug mit einem freundlicherweise von Putin übergebenen Raketenkomplex abgeschossen", schrieb Anton Geraschenko, Berater des Innenministeriums, auf Facebook.
Separatisten schlugen zuletzt mit schweren Waffen zurück
Diesen Vorwurf dementierte ein Sprecher der Milizen. Sergej Kawtaradse, Mitglied des Sicherheitsrats der selbsternannten "Volksrepublik Donezk", sagte der Nachrichtenagentur Interfax: Seine Männer verfügten nicht über Waffen, die ein Flugzeug aus zehn Kilometern Höhe abschießen könnten. Höchstens 3000 Meter, dann sei für die Rebellen Schluss. Nicht auszuschließen sei indes, dass die Ukraine für den Abschuss verantwortlich sei, hieß es seitens der Separatisten.
Die Reaktionen auf das Unglück zeigen, wie angespannt die Situation in der Region ist. Seit Wochen liefern sich prorussische Separatisten um Donezk und Luhansk heftige Kämpfe, Donezk ist eine der letzten verbliebenen Hochburgen der Milizen. In den vergangenen Tagen sind die Gefechte eskaliert. Nach militärischen Erfolgen der Regierungstruppen schlugen die Separatisten mit schweren Waffen zurück, mit russischen Raketenwerfern des Typs "Grad - Hagel" nahmen sie ukrainische Militärkolonnen unter Feuer.
Für die Version der ukrainischen Regierung spricht, dass die Rebellen offenbar über eine Reihe schwerer Waffen verfügen. War vor wenigen Wochen nur vereinzelt von Panzern auf Seiten der Separatisten die Rede, berichten Anwohner in Donezk nun von regelmäßigen Bewegungen ganzer Panzerkolonnen.
Es wäre nicht der erste Flugzeugabschuss der Separatisten
Zudem deuten Berichte des russischen Staatsfernsehens Vesti darauf hin, dass die Rebellen von Donezk ihr Kriegsgerät erheblich verbessert haben könnten - indem sie die ukrainische Militärbasis A-1402 unter ihre Kontrolle brachten. Diese Station verfüge über Buk-Abwehrsysteme, hieß es.
Eine sehr hoch fliegende Maschine abzuschießen, wäre mit dem System absolut möglich: Laut öffentlich verfügbaren Informationen kann das Buk-System, je nach Typ der Rakete, Flugzeuge in Höhen von 14 bis 25 Kilometern angreifen. Auch dass ein getroffenes Passagierflugzeug nicht in der Luft zerbricht, sondern als Ganzes abstürzt, wäre plausibel. Die Raketen des Buk-Systems verfügen über einen 60 bis 70 Kilogramm schweren sogenannten Fragmentations-Gefechtskopf, der von einem Radar-Näherungszünder ausgelöst wird. Er explodiert in unmittelbarer Nähe des Flugzeugs und durchlöchert es.
Zudem wäre es nicht das erste Mal, dass die Separatisten ein Flugzeug abgeschossen hätten. Noch am Donnerstag hatten sie vermeldet, eine Anatow-Militärmaschine der ukrainischen Truppen zum Absturz gebracht zu haben. Und nur wenige Stunden vor dem Absturz der malaysischen Maschine hatte Kiew gar dem russischen Militär vorgeworfen, ein ukrainisches Kampfflugzeug mit einer Rakete abgeschossen zu haben. Moskau dementierte die Vorwürfe umgehend: Es sei "absurd", Russland so etwas vorzuwerfen.
Dass, wie von den Separatisten behauptet, die ukrainische Armee für den Absturz verantwortlich ist, scheint hingegen eher unwahrscheinlich. Das Militär von Staatschef Petro Poroschenko hat bislang gar keine Flugabwehrraketen im Kampfgebiet eingesetzt. Es war nicht nötig - die Milizen verfügten bislang über keine eigene Luftwaffe.
kes/beb/pal/dpa/AFP/Reuters