Nach Giftangriff Ärzte rechneten mit Tod von Sergej und Julija Skripal
Erstmals nach dem Giftanschlag auf Ex-Agent Sergej Skripal und seine Tochter haben sich die behandelnden Mediziner geäußert. In einem Interview sprachen sie über ursprüngliche Sorgen und langfristige Folgen.
Dass der ehemalige russische Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julija den Giftanschlag überlebt haben, grenzt nach Ansicht der behandelnden Mediziner fast an ein Wunder. Stephen Jukes, Facharzt auf der Intensivstation des Krankenhauses im englischen Salisbury, sagte der BBC in einem am Dienstag veröffentlichten Interview: "Als uns erstmals bewusst wurde, dass das ein Nervenkampfstoff war, gingen wir davon aus, dass sie nicht überleben."
Zwar sollten alle Therapiemöglichkeiten versucht und die bestmögliche Betreuung gewährleistet werden. "Aber alle Anzeichen, die es gab, deuteten darauf hin, dass sie nicht überleben würden."
Skripal und seine 33-jährige Tochter Julija waren am 4. März in der Kleinstadt bewusstlos auf einer Parkbank entdeckt worden. Sie wurden Untersuchungen zufolge mit einer geringen Menge des Nervengifts Nowitschok in flüssiger Form vergiftet. Nowitschok war einst in der Sowjetunion entwickelt worden, der Stoff war aber auch im Westen bekannt. London bezichtigt Moskau, hinter dem Angriff zu stecken. Der Kreml weist das zurück.
Julija Skripal wurde schon am 10. April aus dem Krankenhaus entlassen, ihr Vater am 18. Mai. Die 33-Jährige hatte nach dem Angriff 20 Tage im Koma gelegen. Erst kürzlich sprach sie über die "langsame und extrem schmerzhafte" Genesung. "Wir haben so viel Glück, dass wir beide den Mordversuch überlebt haben."
Video: Julija Skripal über ihre Genesung
Arzt Jukes sagte nun, es seien neue Ansätze bekannter Behandlungen ausprobiert worden. Die Geschwindigkeit, mit der sich beide Skripals erholt hätten, sei eine sehr angenehme Überraschung gewesen, die er selbst nicht völlig erklären könne.
Als die Skripals eingeliefert wurden, habe man zunächst an eine Drogen-Überdosis gedacht, sagte Stationsschwester Sarah Clarke der BBC. Als die Polizei dann von Sergej Skripals Vergangenheit als Spion erfahren habe, sei die Möglichkeit eines gezielten Angriffs in Erwägung gezogen worden.
Die langfristigen Folgen des Angriffs für die Gesundheit der Skripals seien unklar, sagte die Ärztin Christine Blanshard. Weltweit seien nur drei Patienten mit einer Nowitschok-Vergiftung behandelt worden, "und ich denke, man kann guten Gewissens sagen, dass wir immer noch dazulernen".
Video: Das Nervengift Nowitschok
aar/dpa