Polizeiüberwachung in Rom Eine Stadt wird zur Festung
Am 8. Dezember beginnt in Rom das Heilige Jahr der Barmherzigkeit, Millionen Katholiken reisen an. Doch die Terrorangst ist allgegenwärtig; die Sicherheitskräfte sind hypernervös.
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Hightech soll Rom jetzt schützen. Modernste Videoüberwachungssysteme, die bislang nur die Geheimdienste von Israel und den USA einsetzen. Tausende von Kameras werden Straßen und Plätze rund um die Uhr abscannen, jede Sekunde Tausende von Gesichtern erfassen. Die Bilder gleichen die Systeme mit mutmaßlichen oder bekannten Terroristen ab, die irgendwo in der Welt in Datenbanken von Geheimdiensten, Polizei oder anderen Behörden gespeichert sind.
Datenschutz, Privatsphäre? Das war gestern. Zu den 2000 Videokameras, die schon jetzt die Menschen filmen, sollen zwei- oder dreimal so viele hinzukommen. Bessere, schnellere Geräte natürlich. Extrem leistungsstarke Rechner für die Überwachungszentren müssen beschafft, das Personal muss darauf geschult werden.
15 Tage Generalprobe hat der Polizeipräsident am Wochenende verkündet, dann - am 8. Dezember - beginnt das von Papst Franziskus verkündete Heilige Jahr der Barmherzigkeit: Katholiken aus aller Welt werden in Rom mit Reue, Buße und Versöhnung ihren Glauben stärken. Und wie eh und je ist die Pilgerfahrt zum Papst mit einem Ablass aller Sünden verbunden. Der Ablass, so der im Vatikan zuständige Kardinal Mauro Piacenza, sei "wie ein Staubsauger Gottes, der die Krümel der Sünde wegnimmt".
Heiter und beschwingt solle es werden, das Heilige Jahr, das "Giubileo", wie es in Rom meist genannt wird, also das Jubeljahr. Das wird wohl nichts. Polizeipräsident Nicolò D'Angelo hat es vorsorglich schon umbenannt: "Jubeljahr in Zeiten von Isis". Er meint die Terrorgruppe "Islamischer Staat", die zuletzt mit den Angriffen von Paris für Entsetzen sorgte.
Römisches Sicherheitsloch: der Himmel
Eben wegen dieser Anschlagsgefahr bauen die Behörden die Stadt nun zur Hochsicherheitszone um. Videoüberwachung ist nur ein Teil davon. Tausende Polizisten und Soldaten sollen rund tausend "sensible Ziele" schützen. Uniformierte werden in Bussen und Bahnen präsent sein und in Mannschaftsstärke ganz besondere "Gefahrenbereiche" bewachen. Den Flughafen, Petersdom und Petersplatz, die Papstwohnung im vatikanischen Gästehaus Santa Marta. Vor dem Kolosseum, dem größten Amphitheater der Welt und Wahrzeichen der Stadt, werden Körperscanner und Metalldetektoren die Besucher durchleuchten, dazu werden per Hand die Taschen durchsucht, die Mäntel abgetastet. Die Behörden rechnen mit Warteschlangen von 200 Metern Länge.
Rom wird auf bakteriologische Angriffe eingerichtet sein und den Himmel für Leichtflugzeuge, Drohnen und andere Gefahrenquellen sperren. Was trotzdem unerlaubt über der Stadt kreist, soll notfalls abgeschossen werden. Der Luftraum gilt als besonderes Sicherheitsloch, seit bei der Beerdigung eines Mafiapaten ein Helikopter ohne Genehmigung und dennoch unbehelligt in geringer Höhe flog und Blumen abwarf. Er hätte auch anderes abwerfen können.
Statt eines Hubschraubers, so fürchten Polizei und Armee, könnten Terroristen auch Drohnen einsetzen. Deshalb wird derzeit überall in Italien überprüft, wer und wo solche Geräte kauft oder an einem Kurs zu deren Steuerung teilnimmt. Überwacht wird überhaupt alles, was als potenziell gefährlich eingestuft wird. Vor allem natürlich die nach Medienberichten knapp hundert Personen in Italien, die dem islamistischen Fundamentalismus nahestehen sollen. Von denen sitzten mehr als die Hälfte ohnehin im Gefängnis.
"Nicht der Angst nachgeben"
Vergeblich mahnen Literaten, Wissenschaftler und Kirchenleute, wie Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, auch nach den Anschlägen von Paris "nicht der Angst nachzugeben". Schließlich sei das doch genau, "was die Terroristen wollen". Doch tatsächlich ist Rom in diesen Tagen auffallend leer, dafür voller Angst.
Überall in Italien ist das spürbar - und sogar messbar. 43 Prozent der Italiener, so eine Umfrage aus den vergangenen Tagen, wollen einstweilen Auslandsreisen einstellen, 38 Prozent kein Flugzeug besteigen und 46 Prozent größere Veranstaltungen meiden. Videoüberwachungen der Bürger finden fast alle gut (91 Prozent). Und wenn der Staat Briefe öffnet, Internetkommunikationen mitliest und Telefone abhört, sagt fast jeder zweite Italiener: prima.
Auch die Touristen machen sich rar, die endlosen Warteschlangen vor den Vatikanmuseen sind über Nacht verschwunden. Und ob zu den Heiligen Polizeifestspielen überhaupt noch so viele Pilger kommen, wie einst - vor Paris - erwartet wurden, gilt inzwischen als sehr fraglich.
Nur der Papst lässt sich offenbar nicht bange machen. Er reiste in der vergangenen Woche nach Afrika, in die nicht eben sicheren Länder Kenia, Uganda und sogar die Zentralafrikanische Republik. Dort traf er Menschen in einem Flüchtlingslager, andere in einem Elendsviertel, besuchte eine muslimische Gemeinde.
Ausgerechnet in der bettelarmen Zentralafrikanischen Republik, in der seit Jahren Konflikte zwischen Christen und Muslimen blutig ausgetragen werden, öffnete Franziskus in der Kathedrale der Hauptstadt Bangui die erste Heilige Pforte zum Heiligen Jahr.
Weniger Angst geht kaum.
Zusammengefasst: Millionen Katholiken pilgern nach Rom - und die Angst vor Terror ist groß. Deshalb läuft eine riesige Überwachungs- und Schutzaktion von Polizei und Armee. Mehr Kameras, Kontrollen und Personal sollen mögliche Angreifer abschrecken.