Sicherheit bei Olympia Willkommen in der Festung Sotschi
Alarmstufe Rot vor den Winterspielen: Der russische Präsident Wladimir Putin hat den Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB nach Wolgograd entsandt. Moskau macht die Aufklärung des Doppelanschlags zur Chefsache. In Sotschi selbst werden mehr als 50.000 Sicherheitskräfte stationiert.
Sechs Wochen vor Beginn der Winterspiele in Sotschi steht viel auf dem Spiel für den Kreml. Lange drehten sich die Debatten im Vorfeld der Olympischen Spiele um Moskaus Schwulengesetz und die Frage, ob es auch wirklich genug Schnee geben wird bei den ersten Winterspielen in den Subtropen, so wie Wladimir Putin es bei der Vergabe versprochen hat.
Seit den Bombenattentaten aber steht ein anderes Versprechen des Präsidenten in Frage: dass die Spiele in Sotschi auch sicher sein werden. Die Voraussetzungen dafür waren von Beginn an schlecht. Russland wird seit Jahren heimgesucht von Selbstmordanschlägen. Schachiden nennt man in Russland die Männer und Frauen mit Sprengstoffgürtel, die Polizisten, Militärs und Zivilisten mit ihren Bomben in den Tod reißen. 120 solcher Selbstmordanschläge in den vergangenen 13 Jahren hat das Webportal "Kaukasischer Knoten" gezählt.
Fast alle Attentäter stammten aus den muslimisch geprägten Republiken des Nordkaukasus oder radikalisierten sich dort, in Sotschis unruhiger Nachbarschaft. Die Sicherheit der Spiele dennoch zu gewährleisten sei eine "Frage der Ehre für die Rechtsschutzorgane und Geheimdienste", hat Putin verkündet. Der Aufwand dafür ist enorm. Drei Milliarden Dollar lässt sich der Kreml die Sicherheitsmaßnahmen kosten, das ist mehr, als die meisten Winterspiele in der Vergangenheit insgesamt kosteten.
Anfang Januar verwandelt sich die Stadt am Schwarzen Meer dann in eine Art Festung. Der Kreml zieht mehr als 50.000 Sicherheitskräfte in Sotschi zusammen, rund doppelt so viel, wie London während der Sommerspiele 2012 aufbot. Zwölf Drohnen werden Sotschi aus der Luft überwachen, Streifenboote des FSB und U-Boote patrouillieren an der Küste. Kampfjets des Typs Su-27 stehen in Alarmbereitschaft auf der Luftwaffenbasis Krymsk. Hochmoderne S-400 Boden-Luft-Raketen sollen mögliche Angriffe aus der Luft abwehren.
Angst vor Geiselnahmen und Bombenanschlägen
Besucher und Bewohner müssen sich auf langwierige Kontrollen vorbereiten. Die Zugänge zur Stadt werden über Wochen für Fahrzeuge aus anderen Regionen gesperrt, Lkw-Transporte eingeschränkt. Über die Sicherheit in den Stadien wacht bereits seit Wochen der Inlandsgeheimdienst FSB. Die Behörden rechnen mit zwei möglichen Angriffsvarianten.
- Ein Terrorkommando könnte versuchen, in Sotschi einzusickern. Dutzende schwerbewaffnete Kämpfer könnten dann versuchen, während der Spiele Geiseln zu nehmen. Ähnliche Attacken hatten tschetschenische Terroristen 2002 in Moskau verübt, als ein Kommando Geiseln im Dubrowka-Theater nahm, und 2004 bei der Stürmung einer Schule im südrussischen Beslan.
- Bombenanschläge von einem oder mehreren Selbstmordattentätern. Sie sind schwieriger zu verhindern als eine Kommandoaktion, die große Vorbereitung erfordert und zu der den kaukasischen Terrorzellen womöglich die Mittel fehlen.
Moskau versucht der Gefahr mit drakonischen Strafen zu begegnen. Ein neues Gesetz nimmt die Angehörigen von Terroristen quasi in Sippenhaft, sie müssen in Zukunft für Schäden und Entschädigungen aufkommen.
Kopfzerbrechen bereiten den Sicherheitsbehörden auch islamistische Rebellen aus Syrien. Dort kämpfen seit Jahren Tschetschenen Seite an Seite mit Mitgliedern von al-Qaida gegen das Assad-Regime. Präsident Putin warnte davor, Rückkehrer aus dem syrischen Bürgerkrieg könnten eine "sehr reale Gefahr" für die Winterspiele in Sotschi darstellen. Im Juni bezifferte der Geheimdienst FSB die Zahl von Kämpfern aus Russland in Syrien auf 200 Mann. Im September war bereits die Rede von 400.
In Sotschi sollen nun mehr als 1400 Videokameras jede verdächtige Bewegung registrieren. Die Sicherheitsbehörden drillen die Bevölkerung seit Wochen zur Wachsamkeit. In den Supermärkten der Stadt hängen noch immer die Fahndungsplakate einer November-Übung. Die Plakate zeigen finstere Gestalten mit Perücke und aufgeklebtem Bart. Damit bat der FSB die Einwohner im Rahmen eines ungewöhnlichen Manövers um Mithilfe.
Die Bürger sollten den Behörden Hinweise auf eine Gruppe von Pseudo-Terroristen geben, ein Test für den Ernstfall, der nach dem Willen des Kreml um keinen Preis eintreten darf. Getreu dem Motto, dass Putin ausgegeben hat: "Jeder Fehler wird uns sehr teuer zu stehen kommen", hat der Präsident gesagt. "Deshalb müssen wir ohne Pause arbeiten, entschlossen und, wo es nötig ist, rücksichtslos."