Syrien-Krieg Assads Hacker-Armee spioniert Rebellen aus
Sie verstehen sich als Cyberkrieger des syrischen Regimes. Hacker halten Diktator Baschar al-Assad die Treue. Ihre Mittel sind bescheiden, dennoch sind sie eine große Gefahr für Aktivisten.
Berlin - Mit Anfang 20 war Baschar al-Assad, was man heute einen Nerd nennt. Während sein großer Bruder Basil auf das Amt des zukünftigen Machthabers von Syrien vorbereitet wurde, spielte er am Computer und surfte in den Anfängen des Internets. Er gründete die Syrian Computer Society, gewissermaßen Syriens staatliche Version des Chaos Computer Clubs, und wurde ihr Präsident. Es war Baschar al-Assads erstes Amt.
Assad großer Bruder ist längst tot - im Auto verunglückt mit 31, als er die Straße zum Damaskus-Flughafen entlangraste. Statt Basil übernahm Baschar den Thron seines Vaters. Aus dem Nerd-Präsidenten wurde das Staatsoberhaupt Syriens.
In der Syrian Computer Society fanden sich viele Männer wie Assad: privilegierte Söhne der Regime-Profiteure, gut ausgebildet und englischsprachig. Offenbar halten einige von ihnen weiterhin fest zu ihrem Präsidenten: Seit Beginn der Aufstände in Syrien 2011 gibt es die Assad-treue Hackergruppe "Syrische Elektronische Armee". Ihre Webseite ist von der Syrian Computer Society registriert. Assad kennt die Gruppe. Schon im Juni 2011 lobte er sie in einer öffentlichen Rede als "echte Armee in der virtuellen Welt".
Angriffe auf Medien und Organisationen
Von einem echtem Cyberkrieg sind die syrischen Nerds aber noch weit entfernt. Während andere virtuelle Armeen mit einem Programm wie Stuxnet das iranische Atomprogramm verlangsamen oder geheime Informationen von US-Servern klauen, agieren Assads Nerds deutlich bescheidener. In den vergangenen Wochen hackten sie das Twitter-Konto des Wetterkanals der BBC und kaperten für ein paar Stunden die Webseiten des amerikanischen Radios NPR und der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
Der syrischen Führung passt die Berichterstattung dieser Medien und Organisationen nicht. Damaskus kann längst nicht mehr verhindern, dass Reporter und Menschenrechtler einreisen. Über viele Grenzübergänge hat das Regime die Kontrolle verloren.
Der Angriff auf NPR fand statt, kurz nachdem das Radio einen Preis für seine Reportagen aus dem Kriegsland erhalten hatte. Attacken auf die Webseite von Human Rights Watch erfolgten in diesem Jahr jedes Mal, wenn die Organisation einen neuen Bericht zu Syrien veröffentlicht hatte. Bei den Menschenrechtlern hinterließen Assads Nerds ein wütendes "Hört auf zu lügen!!!", bei NPR ein "Die Syrische Elektronische Armee war hier."
Allerdings kann die "Syrische Elektronische Armee" auch mit bescheidenen Mitteln viel anrichten, wenn sie auf unvorsichtige Computernutzer trifft. Seit 2011 verschickt sie immer wieder Links per Facebook, Skype oder Mail an syrische Aktivisten und Journalisten oder Forscher, die mit ihnen in Kontakt stehen: Mal sollte der Link zu einem Video über Verbrechen des syrischen Regimes führen, mal zu einem neuen Menschenrechtsbericht. Wer den Link anklickt, soll anschließend seine Login-Daten erneut eingeben - ein Phishing-Versuch.
Fallen die Betroffenen auf den Trick herein, haben Assads Hacker Zugang zu ihrer elektronischen Kommunikation und Kontaktliste. So können sie die Namen weiterer Aktivisten herausbekommen - möglicherweise solcher, die in von Assad kontrollierten Regionen leben.
Das kann für die Enttarnten tödliche Folgen haben. Es ist davon auszugehen, dass solche Informationen direkt beim syrischen Geheimdienst landen. Nach wie vor kommt es immer wieder zu Verhaftungswellen. Wer als Regimekritiker gilt, verschwindet in Syrien auf unbestimmte Zeit in Haft. Viele werden gefoltert, manche bis zum Tod.
Die EU geht davon aus, dass Assads Nerds Teil des syrischen Geheimdienstes sind. Im November 2011 setzte sie drei Mitglieder der "Syrischen Elektronischen Armee" auf ihre Sanktionsliste. Als Geheimdienstler seien sie beteiligt an der "brutalen Niederschlagung" und Gewalt in dem Land, hieß es zur Begründung.