Timoschenko-Haft Gabriel fordert EM-Boykott in der Ukraine
Der SPD-Chef macht Druck auf die Kanzlerin. Sigmar Gabriel fordert, die Fußball-EM in der Ukraine zu boykottieren. Solange das Regime von Viktor Janukowitsch Oppositionelle verhaften und misshandeln lasse, dürfe es keinen normalen Umgang mit dem Land geben.
Berlin - SPD-Chef Sigmar Gabriel hat alle Politiker zu einem Boykott der Fußball-EM-Spiele in der Ukraine aufgerufen. "Im Zweifelsfall sollte man da nicht hinfahren", sagte Gabriel der "Bild am Sonntag". Man müsse aufpassen, dass man nicht zu Claqueuren des Regimes werde. Denn möglicherweise sitze man in den Stadien neben Gefängnisdirektoren und Geheimpolizisten.
Gabriel lobte, dass Bundespräsident Joachim Gauck wegen des Umgangs mit der inhaftierten Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko seinen Besuch in der Ukraine abgesagt hatte. Kanzlerin Angela Merkel ließ es am Freitag offen, ob sie zur Europameisterschaft reisen werde. In die Entscheidung werde aber natürlich die Entwicklung in der Ukraine und der Fall Timoschenko einfließen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Timoschenko musste im vergangenen Jahr eine siebenjährige Haftstrafe antreten. Ihr wird Amtsmissbrauch während ihrer Regierungszeit vorgeworfen. Ihr angebliches Vergehen besteht darin, dass sie bei Verhandlungen mit dem russischen Gaskonzern Gazprom einen zu hohen Preis akzeptierte.
Timoschenko klagt über Misshandlungen im Gefängnis und befindet sich im Hungerstreik. Die Verfahren gegen sie und andere Mitglieder der früheren Regierung bezeichnet sie als Schauprozesse, um die Opposition mundtot zu machen. Die Bundesregierung bemüht sich um eine Ausreisegenehmigung, damit die unter einem Bandscheibenvorfall leidende Timoschenko in Deutschland behandelt werden kann. Am Freitag waren bei einer Anschlagsserie in Timoschenkos Geburtsstadt Dnipropetrowsk sechs Wochen vor Beginn der EM mindestens 27 Menschen verletzt worden.
"Es kann keinen normalen Umgang mit der Ukraine geben"
Gabriel sieht wegen des Konflikts um Timoschenko und angesichts der politischen Verhältnisse in der ehemaligen Sowjetrepublik das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU in Gefahr: "Solange in der Ukraine Menschen aus politischen Gründen in Haft gehalten und misshandelt werden, kann es keinen normalen Umgang mit dem Land geben. Unter diesen Umständen kann auch das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht ratifiziert werden."
Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), forderte, dass Europa dem Regime in der Ukraine entschlossen und geschlossen entgegentritt. "Es muss klargemacht werden, dass die Zustände nicht nur für die eigene Bevölkerung unzumutbar sind, sondern für Europa als Staaten- und Wertegemeinschaft", sagte Bosbach der "Welt".
Der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz sieht wegen des Konflikts um Timoschenko das Wirtschaftsabkommen zwischen der EU und der Ukraine in Gefahr. "Wenn die ukrainische Regierung das Problem nicht schnellstens löst, gefährdet das das Abkommen mit der EU über wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit", sagte er der "Bild am Sonntag". "Die EU ist eine Werte- und Rechtsgemeinschaft und erwartet von Ländern, mit denen wir solche Assoziierungsabkommen schließen, dass sie sich an diese Werte halten."
cte/Reuters