Ukraine Charité-Ärzte wollen Timoschenko nach Berlin holen
"Ihr Zustand ist bedrohlich": Mediziner der Berliner Charité haben an die Regierung der Ukraine appelliert, die kranke Ex-Ministerpräsidentin Julija Timoschenko ausreisen zu lassen. Nur in Deutschland könne man der Politikerin helfen.
Berlin - Das Ärzteteam der Berliner Charité hat an den ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch appelliert, die ehemalige Ministerpräsidentin Julija Timoschenko zur medizinischen Versorgung ins Ausland reisen zu lassen. Man habe "erhebliche Zweifel" an einer erfolgreichen Therapie der inhaftierten Timoschenko in ihrer Heimat. Ihr Gesundheitszustand habe "sich deutlich verschlechtert", sagte der Leiter der Orthopädie, Norbert Haas, am Freitag.
Der Vorstandsvorsitzende des Krankenhauses, Karl Max Einhäupl, sagte, er gehe davon aus, dass eine erfolgreiche Behandlung der in der Ukraine inhaftierten Politikerin nur in Deutschland möglich sei. Grund sei, dass der Bandscheibenvorfall Timoschenkos chronisch geworden sei. Die Charité hatte sich zur Behandlung bereit erklärt.
Haas und Einhäupl hatten sich zuletzt vor zwei Wochen in Charkiw im Osten der Ukraine ein Bild vom Gesundheitszustand Timoschenkos und dem dortigen Krankenhaus gemacht. Ein weiterer Besuch des Ärzteteams sei in den kommenden Tagen geplant.
Einhäupl wandte sich an Präsident Janukowitsch mit den Worten: "Seien Sie ein humanitären Werten verpflichteter Präsident und lassen Sie Frau Timoschenko in das europäische Ausland ausreisen." Auf die Frage, ob eine Ausreise Timoschenkos nach Deutschland wahrscheinlich sei, sagte Einhäupl, es würden Gespräche auf höchster politischer Ebene geführt. Er halte die Ausreise allerdings momentan für "nicht sehr wahrscheinlich".
Dass die Patientin simuliert, sei ausgeschlossen
Er nannte den gesundheitlichen Zustand Timoschenkos aufgrund des Hungerstreiks, den diese angetreten habe, bedrohlich. Ihr Krankheitsbild sei von ukrainischen Stellen zunächst nicht ernst genommen worden, sagte Einhäupl. Bereits am 5. Oktober habe die Politikerin den Bandscheibenvorfall erlitten, bis zum 7. Januar habe jedoch keine eingehende Untersuchung stattgefunden. Dass die Patientin simuliert, halte er für ausgeschlossen.
Timoschenko habe berichtet, dass ihr Schmerzmittel nur dann verabreicht worden seien, wenn sie sich bereit erklärt habe, sich einer weiteren Vernehmung zu stellen. Sie lehne es daher ab, von ukrainischen Ärzten behandelt zu werden.
Im Fall Timoschenko ist der Druck auf den ukrainischen Präsidenten zuletzt gewachsen: Aus Protest gegen die mutmaßliche Misshandlung der inhaftierten Oppositionsführerin blockierten Abgeordnete ihrer Partei am Freitag den Sitzungssaal des Parlaments.
In Europa wird inzwischen gar über einen Politiker-Boykott der Fußball-EM diskutiert. EU-Justizkommissarin Viviane Reding schloss einen Besuch des bevorstehenden Turniers in der Ukraine aus. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) drohte zumindest damit. Bundespräsident Joachim Gauck sagte bereits eine Reise in die Ukraine ab.
fab/AFP/dapd