Krise in der Ukraine Separatisten stellen Gefangene in Donezk zur Schau
In Kiew feiern Tausende Ukrainer ihre Unabhängigkeit von Moskau. Doch im Osten des Landes lassen prorussische Separatisten ihre Gefangenen Spalier laufen und als "Faschisten" beschimpfen.
Donezk - Nein, die Zeichen stehen nicht auf Entspannung in der Ukraine. Während in Kiew 1500 Soldaten auf dem Maidan aufmarschierten, um die Unabhängigkeit des Landes zu feiern, und Präsident Poroschenko erklärte, mehr als zwei Milliarden Euro zusätzlich ins Militär zu stecken, stellten prorussische Separatisten ihre Gefangenen in Donezk zur Schau.
Das berichten übereinstimmend Reporter der Nachrichtenagentur AFP und Augenzeugen, mit denen Reuters gesprochen hat - und es gibt Bilder von dem Geschehen. Darauf ist zu sehen, wie Männer in der ostukrainischen Stadt vorgeführt werden, allem Anschein nach gefangengenommene Soldaten der Regierungstruppen. Sie trotten gesenkten Hauptes die Straße entlang, angepöbelt von Passanten, bewacht von Bewaffneten. Sie seien zum zentralen Leninplatz gebracht und gezwungen worden, auf einer Hauptstraße zu marschieren, heißt es. Sie seien als "Faschisten" beschimpft worden.
Donezk haben die prorussischen Rebellen unter ihrer Kontrolle. Dort und in der Stadt Luhansk nahe der russischen Grenze gab es in den vergangenen Tagen immer wieder heftige Gefechte
Die Genfer Konvention ächtet es ausdrücklich, Kriegsgefangene öffentlich zur Schau zu stellen und zu erniedrigen.
Auf dem Maidan wiederum versuchte die Kiewer Führung Stärke zu demonstrieren: Hunderte Soldaten, Panzerfahrzeuge, Lastwagen, Raketenwerfer. Der Anlass: die Feier zum 23. Jahrestag der Unabhängigkeit, die damalige Sowjetrepublik Ukraine hatte am 24. August 1991 die Loslösung von Moskau erklärt.
Zwar betonte Präsident Poroschenko, die Ukraine wolle keinen Krieg: "Wir wählen den Frieden!" In derselben Rede kündigte der Staatschef jedoch auch an, dass er den Militärhaushalt aufstocken wolle.
Auslöser für die Gefechte in der Ostukraine war der Konflikt um die Krim. Seit April wurden laut Uno mehr als 2000 Menschen getötet. Regierungstruppen drängten die Rebellen zuletzt in ihre Hochburgen Donezk und Luhansk zurück. Bei neuen heftigen Kämpfen in Donezk beschädigten Granaten ein Krankenhaus und eine Leichenhalle. Von Opfern war zunächst nichts bekannt.
Die Separatisten teilten mit, bei einer Gegenoffensive etwa 5000 Angehörige von Regierungseinheiten und 30 Panzer eingekesselt zu haben. Dafür gab es aber zunächst keine unabhängige Bestätigung.
Bereits am Samstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in Kiew betont, eine friedliche Lösung im Konflikt müsse her. Sie wolle zeigen, dass "die territoriale Integrität und das Wohlergehen der Ukraine wesentliche Ziele der deutschen Politik" seien, sagte sie. Dann versprach sie dem Land eine halbe Milliarde Euro Kreditbürgschaften. Zusätzliche 25 Millionen Euro sollen in den Bau winterfester Flüchtlingsunterkünfte fließen.
otr/Reuters(AFP