Ungarn Zehntausende protestieren gegen Regierung Orbán
Auf den Straßen von Budapest sind am Nationalfeiertag Hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen, gegen die Regierung Orbán - aber auch für sie. Der Ministerpräsident selbst wetterte gegen die "Eurokraten" in Brüssel. Am Abend stürmten Rechtsextremisten ein Gebäude des IWF.
Budapest - In Ungarn haben am Donnerstag, dem Nationalfeiertag, jeweils Zehntausende für oder gegen den rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán demonstriert. "Wir Ungarn sind das Volk der Freiheitskämpfer", erklärte der Regierungschef in Budapest auf dem mit Anhängern gefüllten Kossuth-Platz vor dem Parlament. "Die Eurokraten sehen uns selbst heute noch scheel an, aber am Ende werden wir recht behalten."
Orban steht international seit Monaten wegen umstrittener Gesetzes- und Verfassungsänderungen in der Kritik, die etwa den Justiz- und Medienbereich betreffen. Der Internationale Währungsfonds und die Europäische Union brachen wegen der Streitigkeiten im Dezember Verhandlungen mit Budapest ab, in denen es um Finanzhilfen in Höhe von bis zu 20 Milliarden Euro für das hochverschuldete Land ging. Erst am Dienstag sperrte die EU wegen des hohen Haushaltsdefizits Ungarns Zahlungen aus Entwicklungstöpfen in Höhe von knapp einer halben Milliarde Euro.
Etwa einen Kilometer entfernt forderten Zehntausende Regierungsgegner an der Elisabethbrücke die Rücknahme des restriktiven Mediengesetzes und anderer Maßnahmen, die ihrer Ansicht nach den Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nach sich gezogen haben. "Das Recht ist unser Schutz gegen die Tyrannei", erklärte der frühere Datenschutz-Obmann Laszlo Majtenyi. Zu der Kundgebung aufgerufen hatte die Internet-Initiative "Eine Million für die Pressefreiheit".
Einige Redner kritisierten das Klima der Intoleranz, das in Ungarn inzwischen vorherrsche. Studenten- und Lehrervertreter verlangten eine Abkehr von der ultrakonservativen Hochschul- und Unterrichtspolitik der Regierung.
Die Anhänger Orbáns wurden am Kossuth-Platz von rund 2000 Demonstranten aus Polen verstärkt. Ihre "Solidaritätsreise" nach Budapest wurde von der ultrarechten Wochenzeitung "Gazeta Polska" organisiert. Diese steht der nationalkonservativen Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) von Jaroslaw Kaczynski nahe.
Orbán kritisierte in seiner Ansprache nicht nur die "Eurokraten". Er wartete auch mit einem "guten Ratschlag" an die EU auf: "Wenn wir uns nicht besinnen, dann wird auch Europa zur Kolonie des modernen Finanzsystems."
Am Abend drangen mehrere hundert Rechtsextremisten und Neonazis in das Budapester Bank Center ein, wo auch der Internationale Währungsfonds (IWF) sein Büro hat. Die Extremisten zündeten Feuerwerkskörper und hissten auf dem Balkon die mittelalterliche Arpad-Fahne, die vor 1945 auch von Faschisten benutzt wurde. Danach wurden sie von der Polizei aus dem Gebäude gedrängt. Die Aktion ging von der Jugendbewegung 64 Burgkomitate aus, die der rechtsextremen Parlamentspartei Jobbik (Die Besseren) nahesteht. Unter den Eindringlingen war auch der Jobbik-Abgeordnete Tamas Sneider.
Am 15. März gedenken die Ungarn des Ausbruchs der Revolution von 1848 gegen die Habsburger-Herrschaft. Der Aufstand wurde vom österreichischen Kaiserhaus mit Hilfe von Truppen des zaristischen Russland nach anderthalb Jahren niedergeschlagen.
ffr/dpa/AFP