Ärger um Netzplattform Kinderporno-Panne erschüttert Piratenpartei
Die Piraten haben ihre zentrale Internetplattform vom Netz genommen. Der Grund: Auf dem sogenannten Piratenpad, dem Herzstück ihrer Kommunikation, wurden mehrere Kinderporno-Links platziert. Der Skandal katapultiert die Jungpartei in die politische Realität.
Berlin - Ruft man den Bundesvorsitzenden der Piraten in diesen Stunden an, klingt er beinahe wie der Wortführer einer etablierten Partei. Die Juristen prüften alles Weitere. Man arbeite eng mit den Behörden zusammen. Man stehe für Rechtsstaatlichkeit.
Piraten-Chef Sebastian Nerz ist vorsichtig, er muss es sein. Jede unbedachte Äußerung könnte jetzt noch mehr Schaden anrichten. Die Newcomer sind spätestens seit Ende dieser Woche in der politischen Wirklichkeit angekommen.
Die junge Partei hat einen neuen Skandal am Hals. Diesmal geht es um das Piratenpad, eine frei zugängliche und anonyme Kommunikationsplattform der Partei im Netz. Unbekannte haben dort Links zu Kinderpornografie-Seiten platziert.
Strafanzeige gegen Unbekannt
Nachdem der Berliner "Tagesspiegel" am Donnerstag darüber berichtet hatte, ließ der Bundesvorstand die Piratenpad-Server noch am Abend abschalten. Vizechef Bernd Schlömer stellte bei der Berliner Polizei Strafanzeige gegen Unbekannt. Der Tatvorwurf: Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften.
Die Führungsriege ließ die entsprechenden Links entfernen und gab noch in der Nacht eine Erklärung heraus. Die Server soll laut Schlömer in den kommenden Stunden wieder erreichbar sein. Doch das Problem bleibt: Die Links tauchten unter dem Label der Piratenpartei auf - und könnten es jederzeit wieder.
Denn die Plattform ist für alle nutzbar. Jeder beliebige Nutzer, ob Piraten-Anhänger oder nicht, kann Beiträge einstellen, korrigieren, löschen. Jede Sitzung, jede Diskussion ist im Internet protokolliert, jede Aussage transparent, jeder kleinste Hinweis ("Pause machen und rauchen") vermerkt.
Der Dienst gilt als praktisch und beliebt, er wurde unter anderem genutzt, um die Jugendproteste in Spanien zu organisieren. Auch der Deutsche Evangelische Kirchentag verwendete ihn nach Angaben der Partei für Veranstaltungen.
"Widerspricht unseren Idealen"
Aber das Tool ist mehr als ein Dienst für die kollektive Erstellung von Texten, Briefen, Sitzungsprotokollen. Es ist das Herzstück der Parteikommunikation, die Infrastruktur für die propagierte grenzenlose Transparenz. Derzeit sind über 100.000 verschiedene Pads, also Unterforen und Notizen, angelegt.
Dass die Plattform auch Pädophilen ein Forum geben könnte, gräbt am piratischen Markenkern - und spielt jenen in die Hände, die mehr Kontrolle im Netz fordern.
Rein technisch sei eine Kontrolle der Inhalte nicht möglich, erklären die Piraten - und auch gar nicht gewünscht. "Das würde unseren eigenen Idealen widersprechen", sagt Vizechef Schlömer. "Wir wollen keine Informationen über unsere Nutzer."
Genau das erschwert die Ursachenforschung allerdings erheblich. Gemeinsam mit dem Landeskriminalamt und der Polizei arbeite man daran, herauszufinden, wer die Adressen auf der Plattform verbreitet habe, sagt Piratenchef Nerz. Das dürfte kaum möglich sein, da die Piraten - im Sinne der Netzfreiheit - bewusst keine IP-Adressen speichern.
Rätsel um Rolle von Anonymous
Mittlerweile existieren zwei Versionen, wie die Verlinkungen zu Pädophilie-Foren ins Piratenpad gelangten. Das Hacker-Netzwerk Anonymous postete eine Liste mit Links, die es auf dem Pad gefunden haben will.
Doch auch der Piraten-Bundesvorstand erhielt nach eigenen Angaben Post von Anonymous: Demnach habe das Netzwerk selbst die Plattform genutzt, um Informationen für eine Aktion gegen Kinderpornografie zu sammeln - so seien die Links schließlich im Pad gelandet.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Anspruch auf Transparenz und Durchlässigkeit für die Partei zum Eigentor wird. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen warnte kürzlich vor einer Unterwanderung durch Scientology, auch hatte die Partei Ärger wegen Neumitgliedern mit NPD-Vergangenheit.
Die Frage, inwieweit die Partei für die Inhalte des Piratenpads haftbar gemacht werden kann, "beschäftigt uns natürlich sehr", sagt Nerz. Eine Auslagerung der Server ins Ausland stehe nicht zur Debatte. Man diskutiere über Modelle, wie Nutzer künftig schnell und unkompliziert Missbrauchsfälle auf der Plattform melden könnten.
Viel mehr soll erst einmal nicht passieren. "Wir werden nichts anstellen", sagt Schlömer. "Wir werden diese Spannung aushalten müssen." Notfalls müsse man die Plattform oder einzelne Pads jedesmal vom Netz nehmen, wenn dort entsprechende Inhalte auftauchten. Auf dem Bundesparteitag am übernächsten Wochenende soll das "padgate" nach Angaben Schlömers keine Rolle spielen.