CDU vor dem Parteitag Rebelliönchen im Merkel-Wahlverein
Angela Merkel und sonst nichts? Beim Parteitag in Hannover will die CDU vor allem ihre Parteichefin feiern. Doch Streit über Mütterrenten, Homo-Ehe und Schwarz-Grün wird sich kaum verhindern lassen.
Berlin - Sechs Minuten sind die Messlatte. So lange wurde Angela Merkel vor einem Jahr in Leipzig gefeiert. Auch diesmal werden natürlich wieder die Stoppuhren mitlaufen, wenn sich die CDU am Dienstag und Mittwoch in Hannover zum Bundesparteitag trifft. Spötter behaupten, die wichtigste Aufgabe der 1001 Delegierten sei, die Marke von 2011 nach der Rede Merkels am Dienstagmittag zu übertreffen. Und natürlich anschließend für ein ordentliches Ergebnis bei Merkels Wiederwahl zur CDU-Chefin zu sorgen. 90,4 Prozent waren es zuletzt, und die 90 sollte jetzt auch wieder stehen - mindestens. Alles andere könnte als unfreundlicher Akt ausgelegt werden.
Genau das will die CDU unbedingt vermeiden. Das Treffen soll zur großen Merkel-Show werden. Im Volk ist die Kanzlerin populär wie eh und je, und darum setzen die Christdemokraten im bevorstehenden Bundestagswahlkampf alles auf ihre Vorsitzende. Es geht um Image statt Inhalte: Merkel ist die CDU, die CDU ist Merkel. Zudem hoffen auch die Parteifreunde aus Niedersachsen, die schon im Januar um den Machterhalt kämpfen, auf Rückenwind. Möglichst geschlossen möge sich die Truppe daher hinter der Chefin versammeln, so wünscht es die Parteitagsregie. Störenfriede sind unerwünscht.
Die Strategen um CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe haben im Vorfeld alles versucht, um möglichen Zoff abzuwürgen. Die Zahl der Stellvertreterposten hinter Merkel wurde erhöht, so lassen sich Kampfkandidaturen verhindern (Klicken Sie durch die Bilderstrecke, um die neue Führungsriege zu sehen). Man hat einen Leitantrag verfasst, mit dem alle leben können. Für die verbleibenden Konfliktthemen war der Weichspüler vorgesehen: Kompromisse sollten kontroverse Debatten auf offener Bühne verhindern.
Doch nicht alle möchten sich für das Gelingen der großen Merkel-Festspiele ruhigstellen lassen. Die Frauen-Union etwa will einmal mehr für ihre Forderung nach höheren Mütterrenten kämpfen. "Es kann nicht sein, dass wir mit einem Prüfauftrag abgespeist werden", sagt deren Vorsitzende Maria Böhmer. Genau so aber stellt sich die Parteiführung das vor. Nur werden die Frauen auf diese Weise schon seit Jahren vertröstet.
Die Frauen-Union will die Renten von Müttern, die vor 1992 Kinder bekommen haben und für ihre Erziehungszeiten nur einen Rentenpunkt erhalten, an die Jahrgänge nach 1992, denen drei Rentenpunkte anerkannt werden, stufenweise angleichen. Kostenpunkt: 13 Milliarden Euro - zu teuer, findet die CDU-Spitze. Weil aber niemand die Wünsche offen ins Land der Träume verbannen will, soll erst einmal weiter gerechnet, sollen Spielräume ausgelotet werden.
Merkel selbst verspricht am Montag beim traditionellen Hallenrundgang in Hannover, dass die CDU ein Zeichen gegen die Ungerechtigkeit setzen wolle. Auf der anderen Seite müsse das Thema aber "auch mit soliden Finanzen" zusammengebracht werden. Sie legt sich nicht fest. Die Frauen-Union aber beharrt auf einem Beschluss, dass sich die CDU noch in dieser Wahlperiode für ein Gesetz starkmacht. "Mit weniger werden wir uns nicht zufriedengeben", sagt Böhmer.
Ähnlich entschlossen zeigt sich die sogenannte "Wilde 13". Der Kreis von CDU-Bundestagsabgeordneten hat im Sommer einen Vorstoß zu steuerlichen Gleichstellung von Homosexuellen-Ehen gestartet und will dies jetzt auch in Hannover diskutieren lassen. Merkel dagegen hat sich in der "Bild am Sonntag" klar positioniert: Sie möchte das Steuerprivileg nicht ausweiten. Die Mehrheitslage in der Partei ist unklar, Generalsekretär Gröhe stellt vorsichtshalber klar, dass die Homo-Ehe "nicht im Mittelpunkt dieses Parteitags" stehen werde.
Schwarz-Grün-Debatte begleitet Parteitag
Gleiches hofft die Parteiführung von der leidigen Debatte über Schwarz-Grün. Seit Katrin Göring-Eckardt ins Spitzenduo der Öko-Partei gewählt wurde, ist die Diskussion neu entbrannt, ob die Grünen ein geeigneter Koalitionspartner für die Union wären. Das konservative Lager schreit erschrocken auf. Hessens CDU-Fraktionschef Christean Wagner warnt seine Partei im Gastbeitrag für SPIEGEL ONLINE vor "schwarz-grünen Träumereien", er verortet die Grünen noch immer ganz links im Parteienspektrum. Auch Merkel-Getreue setzen auf Abgrenzung, Unionsfraktionschef Volker Kauder rümpft die Nase über den "kleinbürgerlichen Mief" bei den Grünen.
Die Parteitags-Strategen wollen eine offene Diskussion über ein Bündnis jenseits der FDP unbedingt verhindern - auch um den derzeitigen Partner nicht zu verprellen. Der zittert in Niedersachsen um den Landtag, ohne die Freidemokraten aber dürfte Ministerpräsident David McAllister keine Chance haben, die Staatskanzlei zu halten. Der nüchterne Blick auf die Umfragewerte im Bund zeigt jedoch: Eine Neuauflage der Koalition mit der FDP wird schwierig, und daher dürfte die schwarz-grüne Frage das Treffen in Hannover so oder so begleiten - trotz aller Parteitagsrhetorik auf der Bühne. Und eine Koalitionsaussage zugunsten der FDP ist nicht geplant.
Merkel selbst hält sich ohnehin alles offen. Auf die Frage, ob die Grünen ein Partner für die Zukunft seien, sagt die Kanzlerin in der "Bild am Sonntag" nicht nein. Sie findet es "erfreulich", dass der Umgang zwischen Union und Grünen so unkompliziert geworden sei - auch wenn sie natürlich die größeren Schnittmengen zwischen Union und FDP sieht. So wird Merkel es auch in Hannover wieder betonen. Sie wird auch ein paar schärfere Töne für die Grünen finden, wie es sich für einen Parteitag gehört. Und selbst diejenigen, die Sympathien für Schwarz-Grün hegen, werden sie dafür feiern.
Nein, es ist nicht anzunehmen, dass jemand es wagen wird, Merkel in Hannover die Schau zu stehlen. Darum kann es sich die CDU-Chefin kurz vor dem Start des Treffens auch erlauben, für kontroverse Debatten zu werben. "Mir ist es absolut Recht, wenn ich ein Votum des Parteitags zu bestimmten Fragen mit in meine politische Arbeit nehmen kann", sagt sie bei Hallenbesichtigung. Merkel kann sich ihrer Sache sicher sein. In der CDU ist sie zwölf Jahre nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden alternativlos.
Mit Material von dpa und Reuters