Verhandlung in Karlsruhe Verfassungsrichter zweifeln am Betreuungsgeld
Das Betreuungsgeld steht auf der Kippe. Das Bundesverfassungsgericht hat nun in einer Verhandlung massive Zweifel an der Rechtmäßigkeit des umstrittenen Gesetzes geäußert.
Das Betreuungsgeld steht in seiner bisherigen Form infrage. Das Bundesverfassungsgericht gab am Dienstag in einer mündlichen Verhandlung große Skepsis zu erkennen. Eine der zentralen Fragen: War der Bund überhaupt zuständig für die Prämie?
Der Erste Senat verhandelt über eine Klage Hamburgs gegen die am 1. August 2013 eingeführte Sozialleistung. Kritiker bezeichnen sie als "Herdprämie", eingeführt worden war das Betreuungsgeld auf Betreiben der CSU von der schwarz-gelben Koalition. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet. (Hier finden Sie die wichtigsten Fragen und Antworten zur Klage.)
Das Betreuungsgeld wird an Eltern gezahlt, die ihre ein- und zweijährigen Kinder zu Hause erziehen und nicht in eine öffentlich geförderte Kindertagesstätte oder zu einer Tagesmutter geben. Das Betreuungsgeld von derzeit 150 Euro im Monat erhalten derzeit fast 400.000 Familien in Deutschland.
Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof hob am Dienstag hervor, dass der Bund nur dann ein Gesetz auf dem Gebiet der "öffentlichen Fürsorge" erlassen dürfe, wenn die Regelung "zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet erforderlich" sei. Die Bundesregierung hatte in der Verhandlung jedoch große Mühe, dies zu belegen. Ein Unterschied in den Lebensverhältnissen sei "in der Tat nicht so einfach nachzuweisen", räumte der Prozessbevollmächtigte der Regierung, Michael Sachs, ein.
Die Berichterstatterin des Verfahrens, Richterin Gabriele Britz, hatte zuvor betont, für eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes müsste die Differenz der Lebensverhältnisse "erheblich" sein. Zum Beispiel müsste der Ausbau von Kita-Plätzen in alten und neuen Bundesländern unterschiedlich stark vorangekommen sein. Die Regierung argumentierte jedoch fast nur damit, dass das Betreuungsgeld "Teil eines Gesamtkonzeptes" zur Bewältigung der Probleme von Familien bei der Kinderbetreuung sei. Verfassungsrichter Johannes Masing fragte daraufhin, ob tatsächlich "problematische Entwicklungen" zu befürchten wären, wenn das Betreuungsgeld nicht gezahlt würde.
Die vormalige SPD-Regierung Hamburgs hatte die Prämie auch deshalb als grundgesetzwidrig bezeichnet, weil es traditionelle Rollenbilder verfestige. Mütter würden deshalb vom Erwerbsleben ferngehalten. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung.
Die Verhandlung gilt als politisch brisant, weil das Bundesfamilienministerium die Prämie verteidigen muss - obwohl Ministerin Manuela Schwesig (SPD) vor ihrer Amtsübernahme eine scharfe Gegnerin war. Sie schickte ihren Staatssekretär Ralf Kleindiek (SPD) nach Karlsruhe, der früher Staatsrat in Hamburg war und in dieser Funktion die Klage mit ausarbeitete.
Zuvor hatte auch Bundespräsident Joachim Gauck lange mit seiner Unterschrift unter das Gesetz gezögert - aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken.
Betreuungsgeld
Rang | Land | Zahl der Empfänger |
1 | Bayern | 85.683 |
2 | Nordrhein-Westfalen | 85.326 |
3 | Baden-Württemberg | 76.721 |
4 | Niedersachsen | 36.217 |
5 | Hessen | 30.574 |
6 | Rheinland-Pfalz | 20.548 |
7 | Schleswig-Holstein | 11.693 |
8 | Sachsen | 9790 |
9 | Berlin | 7369 |
10 | Hamburg | 5966 |
11 | Thüringen | 5373 |
12 | Saarland | 4087 |
13 | Brandenburg | 2191 |
14 | Bremen | 2049 |
15 | Mecklenburg-Vorpommern | 1557 |
16 | Sachsen-Anhalt | 1339 |
Summe | Früheres Bundesgebiet | 358.864 |
Summe | Neue Länder (einschl. Berlin) | 27.619 |
Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand 4. Quartal 2014
fab/heb/dpa/Reuters