Buback-Mordprozess Nebenkläger werfen Ermittlern Versäumnisse vor
Das verschwundene Tatmotorrad im Mordfall Buback hat im Prozess gegen die frühere RAF-Terroristin Becker für Streit zwischen Nebenklägern und Ermittlern gesorgt. Zudem wurden durch eine Zeugenaussage neue Ungereimtheiten in den Akten bekannt.
Stuttgart - Mit scharfen Angriffen der Nebenkläger gegen die Ermittler ist am Dienstag der Prozess gegen die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker fortgesetzt worden. Sie soll am Mordanschlag auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback im Jahr 1977 beteiligt gewesen sein. Die Bundesanwaltschaft geht aber nicht davon aus, dass Becker die Todesschützin war. Buback und seine Begleiter waren von einem Motorrad aus mit insgesamt mindestens 15 Schüssen getötet worden.
Auslöser des Streits vor dem Oberlandesgericht Stuttgart war das Motorrad, von dem Buback aus erschossen wurde. Es war erst vor wenigen Tagen wieder aufgetaucht, weil sich der Besitzer gemeldet hatte. "Das ist ein Skandal, das bleibt ein Skandal", sagte der Vertreter der Nebenklage. Die Ermittler selbst hätten nach dem Motorrad suchen müssen. Bundesanwalt Walter Hemberger bezeichnete es hingegen als "ganz normalen Vorgang", dass die Maschine vom Typ Suzuki 750 GS damals nach Abschluss der Ermittlungen freigegeben wurde.
Der Sohn des Ermordeten, Michael Buback, kritisierte, dass zum Zeitpunkt der Freigabe erst ein Täter rechtskräftig verurteilt worden war. Die Ermittler hätten beispielsweise eine Gegenüberstellung vornehmen können, indem man weitere Verdächtige auf das Motorrad setzt. Bundesanwalt Hemberger sagte, die Vorstellung einer solchen Gegenüberstellung sei "mehr als laienhaft". Becker hatte beim Prozessauftaktim hoch gesicherten Gerichtsgebäude von Stuttgart-Stammheim zu den Tatvorwürfen geschwiegen.
Ermittler versprechen sich keinen Erfolg von DNA-Analyse bei Motorrad
Der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Frank Wallenta, sagte, es sei "nicht mehr erfolgversprechend", das Motorrad nach Spuren abzusuchen, die im Verlauf der damaligen Tat entstanden sein könnten. Das gehe aus einer gutachterlichen Stellungnahme des kriminaltechnischen Instituts des Bundeskriminalamtes (BKA) hervor.
Wallenta verwies auf die "lange Zeit des seitherigen Gebrauchs". Deshalb könnten nach Angaben des Instituts durch eine molekulargenetische DNA-Untersuchung im Hinblick auf damalige Spurenverursacher "keine Erkenntnisse mehr gewonnen werden". Die Sicherstellung des Motorrades sei inzwischen dennoch vorsorglich veranlasst worden.
Nach dem Attentat vom 7. April 1977 sei - als die Spurensicherung an dem Motorrad nach dem damaligen Stand der Kriminaltechnik abgeschlossen waren - "die Freigabe des Motorrads" erfolgt. Es sei als Beweismittel nicht mehr benötigt worden, sagte Wallenta. Heutige kriminaltechnische Untersuchungsmethoden seien damals noch nicht bekannt gewesen.
Einem Zeitungsbericht zufolge war das Motorrad 1982 von einem im Kreis Böblingen lebenden Motorradfahrer gekauft worden. Durch eine Annonce im "Wochenblatt" sei er auf die Maschine aufmerksam geworden. Sie sei "spottbillig" angeboten worden. Er hatte sich nach eigenen Angaben kürzlich bei der Polizei gemeldet, als er hörte, dass der Buback-Mord "immer noch nicht aufgeklärt" sei.
Fehlendes Protokoll in den Akten sorgt für Spekulationen
Zu Fragen der Spurensicherung wurde am Dienstag auch ein ehemaliger Polizist vernommen. Er war beim Buback-Attentat von 1977 als erster Spurensicherungsbeamter am Tatort. Noch am selben Abend seien er und seine Kollegen bis Mitternacht vom BKA vernommen worden. "Es war eine sehr ausführliche Vernehmung. So etwas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt."
Über diese Vernehmung findet sich aber nichts in den Akten. Dies gibt einer Theorie Michael Bubacks neue Nahrung: Der Sohn des Ermordeten glaubt, dass Becker bei den Ermittlungen beschützt wurde, weil sie mit Geheimdiensten zusammengearbeitet haben soll. Der Vorsitzende Richter Hermann Wieland sagte zum fehlenden Protokoll: "Ich kann nur sagen: Wir gehen dem nach."
Der 62-jährige Zeuge, ein pensionierte Kriminalhauptkommissar, gab an, am Tattag nichts Auffälliges oder Unübliches bei der Spurensicherung bemerkt zu haben. "Mit den technischen Mitteln, die man hatte, hat man alles ausgereizt, um eine sorgfältige Spurensicherung zu betreiben", sagte der Zeuge. Für ihn habe damals die Sicherung von Patronenhülsen absoluten Vorrang gehabt.
ulz/dpa/dapd