Erdogan-Besuch Merkel fordert rasche Lösung für inhaftierte Deutsche
Bei einer Pressekonferenz mit dem türkischen Staatschef Erdogan sagte Bundeskanzlerin Merkel, sie habe im Gespräch mit ihm die Menschenrechtslage in der Türkei angemahnt. Während des Auftritts kam es zu einem Zwischenfall.
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hat Kanzlerin Angela Merkel eine rasche Lösung für die in der Türkei inhaftierten Deutschen angemahnt.
"Ich habe darauf gedrängt, dass auch diese Fälle möglichst schnell gelöst werden können", sagte sie. Es sei klar, dass es noch immer "tiefgreifende Differenzen" mit der Türkei hinsichtlich der Themen Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit gebe.
In der Türkei sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes derzeit fünf deutsche Staatsbürger aus politischen Gründen in Haft. Aus deutscher Sicht rechtfertigen die vagen Terrorvorwürfe weder eine monatelange Untersuchungshaft noch die jahrelangen Haftstrafen, die in mehreren Fällen verhängt wurden. Prominente Häftlinge wie Peter Steudtner, Deniz Yücel und Mesale Tolu kamen in den vergangenen Monaten frei.
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte zuvor bei seinem ersten Gespräch mit Erdogan konkrete Fälle von politischen Gefangenen in der Türkei angesprochen.
Syrien-Konferenz im Oktober
Merkel betonte aber auch gemeinsame Interessen mit der Türkei. "Wir haben vieles, was uns eint", sagte sie. Als Beispiele nannte sie die Partnerschaft in der Nato, Fragen der Migration und den Kampf gegen Terrorismus: "Deutschland hat ein Interesse an einer wirtschaftlich stabilen Türkei".
Merkel kündigte an, dass es im Oktober mit den Präsidenten Frankreichs, Russlands und der Türkei zu einer Konferenz über die kritische Lage in Syrien kommen werde. Bei dem Treffen solle die kritische Situation um die letzte Rebellenhochburg Idlib im Mittelpunkt stehen.
Erdogan fordert Auslieferung von Dündar und Gülen-Anhängern
Erdogan forderte von Deutschland die Auslieferung von Anhängern der Gülen-Bewegung. In Deutschland lebten Hunderte Anhänger der Gülen-"Terrororganisation", die er für den Putschversuch 2016 verantwortlich macht. Die türkische Justiz sei im Übrigen unabhängig, sagte er mit Blick auf deutsche Kritik an den Verfahren gegen inhaftierte deutsche Staatsbürger in der Türkei.
Der in der Türkei wegen Spionage und Verrats verurteilte Journalist Can Dündar hatte auf eine Teilnahme an der Pressekonferenz verzichtet. "Ich habe entschieden, nicht daran teilzunehmen", sagte Dündar, der seit zwei Jahren in deutschem Exil lebt, am Freitag auf seinem eigenen Medienportal. Zuvor hatte die Türkei gedroht, die Pressekonferenz abzusagen, falls Dündar teilnehme. Dündar erklärte, er wolle nicht zulassen, dass die Pressekonferenz wegen seiner Person abgesagt werde und kritische Fragen anderen Journalisten nicht möglich seien.
Erdogan bestätigte, dass sein Land ein Auslieferungsersuchen für Dündar gestellt habe. Dündar sei "ein Agent, der Staatsgeheimnisse veröffentlicht hat". Daher müsse der ehemalige Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" an die Türkei ausgeliefert werden.
Mann bei Pressekonferenz abgeführt
Bei der Pressekonferenz kam es zu einem Zwischenfall: Ein Mann wurde im Kanzleramt in Berlin vor laufenden Kameras abgeführt. Erdogan lächelte zunächst nur. Bei dem Mann handelte es sich um den Journalisten Adil Yigit, einem in Deutschland lebenden Erdogan-Kritiker, dem die Abschiebung droht. Er trug auf der Pressekonferenz auch ein T-Shirt mit der Aufschrift "Freiheit für Journalisten".
als/dpa/Reuters/AFP