Katrin Göring-Eckardt Ost-Frau, protestantisch, grün
Plötzlich Galionsfigur: Unverhofft nominiert die Grünen-Basis Katrin Göring-Eckardt als Co-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2013. Damit ist die Partei endgültig in der bürgerlichen Mitte angekommen; die 46-jährige Ostdeutsche ist tief in der evangelischen Kirche verwurzelt.
Selbst wenn es nicht geklappt hätte: Katrin Göring-Eckardt konnte nicht tief fallen bei dieser Urabstimmung. Sie hatte ein Netz, das unter ihr gespannt war, ein Netz der evangelischen Kirche. Vielleicht war es das, was der Überraschungs-Siegerin die Extraportion Kraft und Souveränität gab. Für ihre Kirche wird Göring-Eckardt in den nächsten Wochen wenig Zeit haben - sie tritt gemeinsam mit Jürgen Trittin als Spitzenkandidatin der Grünen im Bundestagswahlkampf an.
Schon früh verbindet Göring-Eckardt, die im Mai 1966 in Friedrichroda in Thüringen geboren wird, ihre beiden Hauptinteressen: die Kirche und die Politik. In der DDR-Heimat zählt sie damit zu den Rebellen.
Die junge Frau engagiert sich in der kirchlichen Opposition, ist Mitglied in der Bewegung "Solidarische Kirche und Frauen für den Frieden". Nach ihrem Abitur 1984 beginnt sie ein Theologiestudium, das sie allerdings nach fünf Jahren ohne einen Abschluss wieder aufgibt. Ihre Energie gilt der Politik. 1989, als die DDR zielstrebig auf ihr Ende zusteuert, gründet die damals 23-Jährige mit anderen Mitstreitern die Bürgerbewegung "Demokratie jetzt" - die Basis für ihre Zeit als Grünen-Politikerin.
Bündnis-90-Mitglied der ersten Sekunde
1990 fusioniert "Demokratie jetzt" mit anderen Bürgerrechtsgruppen zum Bündnis 90. Schon bald kann Göring-Eckardt die ersten Erfolge ihrer Partei feiern. Am 2. Dezember 1990 erringen Bündnis 90/Die Grünen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR 6,2 Prozent der Wählerstimmen. Es sind die ersten Wahlen nach dem Mauerfall, Göring-Eckardt ist 24 Jahre alt.
Nach und nach macht die junge Frau Karriere in ihrer Partei. Sie arbeitet in den Thüringer Landesvorständen von "Demokratie jetzt" und Bündnis 90, sie verhandelt über die Zusammenführung von Bündnis 90 und den Grünen. Nach deren Verschmelzen arbeitet sie weiter im Thüringer Landesvorstand, sie wird Landessprecherin von Bündnis 90/Die Grünen. Noch bleibt sie in ihrer Heimat, doch langsam kündigt sich ihr Abschied an, Göring-Eckardt strebt nach mehr.
Mit 32 Jahren, 1998, wird Göring-Eckardt Bundestagsabgeordnete, immer weiter klettert sie die Parteileiter hinauf, emsig, stetig. Sie übernimmt einen Posten als parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Bundestagsfraktion, 2002 wird sie an die Spitze der Bundestagsfraktion gewählt. Als die rot-grüne Schröderregierung 2005 untergeht, muss sie jedoch ihre Spitzenjobs in Partei und Fraktion räumen. Fritz Kuhn übernimmt ihren Posten als Fraktionsvorsitzende, Göring-Eckardt arbeitet seitdem als Bundestags-Vizepräsidentin.
Ihre Heimat vergisst die Politikerin trotz ihrer Aufgaben in der Bundespolitik nicht. Von 2002 bis 2007 lässt sie sich noch einmal zur Sprecherin der Thüringer Landespartei wählen, seit 2007 ist sie Beisitzerin im Thüringer Landesvorstand. Sie bleibt immer ein bisschen die Ost-Frau.
Den Blick auf die Sozialpolitik gerichtet
Göring-Eckardts entwickelt sich über die Zeit zu einer engagierten Sozialpolitikerin, sie setzt sich für Steuerbegünstigungen der privaten Altersvorsorge ein, 2002 macht sie die Familienpolitik zu einem zentralen Thema des Bundestagswahlkampfs. Kinderfreundlichkeit und die Zukunft des Sozialsystems sind ihre Themen, während der rot-grünen Regierungszeit unterstützt sie die Sozialreformen wie kaum ein anderer. Mittlerweile kritisiert sie jedoch Hartz-IV-Sätze und Mängel in der Arbeitslosenförderung, zuletzt entdeckte sie das Thema Altersarmut in Deutschland für ihre Agenda.
Sie wolle sich, sagte Göring-Eckardt nach ihrer Wahl in Berlin, im kommenden Bundestagswahlkampf für eine "bessere Gesellschaft" einsetzen. Dies bedeute mehr Zusammenhalt, mehr Menschlichkeit im Umgang mit Flüchtlingen, mehr Gleichberechtigung für Schwule und Lesben und mehr Demokratie.
Ihr Handeln ist seit je geprägt von christlichen Werten, die ihr vor allem im linken Flügel der Partei nicht nur Freunde verschaffen. Mit Anfang 20 heiratet sie den Pfarrer Michael Göring, als eine der ersten Frauen in der DDR pocht sie auf ihr Recht, einen Doppelnamen tragen zu dürfen. Die beiden bekommen zwei Kinder, Göring-Eckardt veröffentlicht unter dem Titel "Gott gibt die Fischstäbchen" ein Buch über Erfahrungen mit religiöser Erziehung.
2009 wird die heute 46-Jährige zum Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland gewählt, 2011 leitet sie als Präsidentin den Evangelischen Kirchentag 2011 in Dresden. Aufgaben wie diese wird sie nun erst mal ruhen lassen. Auf ihr Amt als Bundestagsvizepräsidentin solle sie nun auch verzichten, forderte die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Birgit Homburger: Die Spitzenkandidatur für eine Partei vertrage sich nicht mit den Anforderungen an das Amt eines Bundestagsvizepräsidenten.
irb