Gabriels Klima-Offensive Das 62-Millionen-Tonnen-Versprechen
Von wegen Ende der Klimaziele: Wirtschaftsminister Gabriel und Umweltministerin Hendricks erneuern das deutsche CO2-Versprechen. Der Vizekanzler kämpft um seinen Ruf.
Berlin - Sigmar Gabriel hat schon ziemlich viel geredet. Über Investitionen, Planungssicherheit, seine Ideen für ein neues Strommarktdesign. Jetzt soll der Vizekanzler was zur Zukunft der Kohlekraftwerke sagen. Mal wieder.
Er blickt nach rechts. "Du nennst die ja immer alte Möhrchen oder so", sagt er zu Barbara Hendricks. Die Umweltministerin kichert.
Ja, ja - die Kohlekraftwerke. Die sind so eine Sache für Gabriel. Seit Wochen muss er sich mit der Frage herumschlagen, welche Rolle die alten Meiler bei der Energiewende spielen sollen. Gabriel, der einst gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel vor Gletscherkulisse den Klimawandel in den Fokus rückte, schien zuletzt weniger am Umweltschutz als an Arbeitsplätzen interessiert zu sein.
Von wegen - das ist die Botschaft, die Gabriel an diesem Mittwoch setzen will. Der Vizekanzler und die Umweltministerin stellen ihren Pfad zu den Klimazielen vor. Die Minister wollen belegen, dass Deutschland - anders als viele glauben - bis zum Jahr 2020 seinen CO2-Austoß gegenüber 1990 sehr wohl um 40 Prozent wird verringern können. "Ein wirklich guter Tag für den Klimaschutz", schwärmt Hendricks.
Kleinteilige Rechnung für den Umweltschutz
Das muss sich erst noch zeigen. Denn der Weg zum 40-Prozent-Ziel ist, vorsichtig ausgedrückt, ambitioniert. Mindestens 62 Millionen Tonnen CO2 müssen in den kommenden fünf Jahren zusätzlich eingespart werden, wenn Deutschland das vor Jahren gesteckte Klimaziel nicht reißen will. Auf dem Papier ist diese Zahl mit dem vorgelegten Aktionsplan jetzt erreicht. Aber einige Maßnahmen müssen erst noch in Gesetzesform gegossen werden. Und andere sind recht kreativ. Not macht erfinderisch, das weiß man ja.
Ein Großteil der angepeilten Einsparungen geht auf Gabriels Vorschläge zurück. Der Wirtschaftsminister will die Energieeffizienz massiv steigern und dafür auch privaten Verbrauchern steuerliche Anreize zur energetischen Gebäudesanierung bieten. Um mindestens 25 Millionen Tonnen CO2 soll so die Klimabilanz entlastet werden. Weitere 22 Millionen Tonnen sollen aus dem Stromsektor und bis zu 10 Millionen Tonnen aus der Verkehrsbranche kommen.
Aber weil diese Vorschläge nicht reichen, formulierte die Bundesregierung zusätzlich ein paar kleinere Einspar-Visionen:
- So sollen Beamte zum Beispiel künftig dazu animiert werden, mehr Fahrrad zu fahren (minus 300.000 Tonnen CO2).
- Rad- und Fußwege sollen ausgebaut werden (minus 800.000 Tonnen).
- Der Einsatz von stromsparenden Dioden in der Straßenbeleuchtung soll verstärkt werden (minus 10.000 Tonnen CO2).
- Vom deutschen Moor verspricht sich die Regierung ebenfalls Hilfe. Dieses, so heißt es im Aktionsplan von Ministerin Hendricks, habe bei "nahezu vollständiger Vernässung" eine vielversprechende Kohlenstoffspeicherfunktion. Bis 3,4 Millionen Tonnen Einsparpotenzial sieht die Sozialdemokratin.
"Ich habe mein Haus mal gedämmt"
Das wirkt alles ein wenig kleinteilig und ist auch nicht ganz frei von Widersprüchen. So soll etwa der öffentliche Nahverkehr attraktiver gemacht, aber gleichzeitig das Carsharing gefördert werden, das in den großen Städten für viele Menschen längst eine Alternative zum Nahverkehr geworden ist. Aber unterm Strich stehen am Ende eben jene 62 Millionen Tonnen Einsparung bei der Kohlendioxid-Emission, die mindestens nötig sein werden. Und darauf kommt es Hendricks und Gabriel vor allem an. "Deutschland steht zu seinen Zielen", sagt der Vizekanzler.
Gabriel hat nicht seinen freundlichsten Tag, bei Nachfragen wirkt er schnell genervt. Aber einfach Hendricks mal antworten lassen, das will er dann auch nicht. Es geht schließlich auch um seinen Ruf. Gabriel muss zeigen, dass er seine Zeit als Umweltminister nicht völlig vergessen hat.
Eine Bemerkung, dass der Bund für die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung gerade mal eine Milliarde Euro zur Verfügung stellt, wischt der SPD-Chef beiseite und verweist auf die "Hebelwirkung". Ein hübscher Kniff. Aus einer Milliarde werden da schnell "70 bis 80 Milliarden" an Investitionstätigkeit. "Das sagt die Erfahrung", zischt er. Debatte beendet.
Überhaupt, dieses ständige Gemecker an der Umweltpolitik der Großen Koalition, das ist Gabriel langsam satt. Es gebe ja Leute, die sogar den Sinn der energetischen Gebäudesanierung kritisierten. "Ich kann das aus meiner Erfahrung nicht bestätigen", sagt er. "Ich habe mein Haus mal gedämmt und habe hinterher in der Tat weniger Energie verbraucht." Es gebe da eine grundsätzliche Schieflage in der Diskussion. Wenn die Regierung kein Effizienzprogramm auflege, heiße es, man tue nichts. Lege sie dagegen eins auf, heiße es, es bringe nichts.
Das sei, sagt Gabriel, "eine typisch deutsche Debatte".