Kommentar zu Schwarz-Grün Grün sein, schweigen, mitregieren
Die hessische Koalition mit der CDU ist für die Grünen ein Modell für die Bundestagswahl 2017 - Pannen und Fehler schweigen sie deshalb tot. Und verspielen so ihre Glaubwürdigkeit.
Die Grünen? Das ist der Atomausstieg. Über Jahrzehnte hat die Partei dafür gekämpft, die deutschen Kernkraftwerke abzuschalten. Auch wenn sie inzwischen viel mehr sein wollen als eine Öko-Partei: Ihre Glaubwürdigkeit schöpfen die Grünen nach wie vor aus diesem Thema.
Diese Glaubwürdigkeit setzen sie nun aufs Spiel.
In Hessen beweisen die Grünen seit einem Jahr, dass Schwarz-Grün funktionieren kann. So wollen sie sich eine Chance eröffnen, 2017 auch im Bund mit der Union regieren zu können. Doch bevor es mit Angela Merkel in Berlin etwas werden kann, muss es mit Volker Bouffier in Wiesbaden klappen. Die hessischen Grünen mit ihrem Vize-Ministerpräsidenten Tarek Al-Wazir an der Spitze haben dafür ein Rezept: Was stört, wird ignoriert.
Ministerpräsident Volker Bouffier hatte in der vergangenen Woche vor CDU-Kommunalpolitikern grundsätzliche Bedenken gegen den Verlauf der geplanten Stromtrasse "SuedLink" geäußert. Prompt kassierte er von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im SPIEGEL einen Rüffel, weil die Trasse zentraler Bestandteil der Energiewende ist. Und was machen die hessischen Grünen? Sie schweigen.
Auch die Bundes-Grünen sind nicht mutiger: Wer auf das Problem mit Bouffier und der Trasse angesprochen wird, gibt sich ahnungslos, verweist auf windelweich relativierende Sätze des hessischen Regierungssprechers oder darauf, dass sich doch auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer seit geraumer Zeit gegen den Leitungsausbau stelle. Auf den CSU-Politiker hauen die Grünen deshalb gern ein. Es geht ihnen um das grüne Kernthema, die Energiewende. Nur nicht in Hessen, wo sie regieren.
Noch im Landtagswahlkampf waren die Grünen hier vehement gegen ein drittes Terminal für den Frankfurter Flughafen eingetreten. Jetzt sitzen sie in der Regierung - dass das neue Terminal kommt, scheint inzwischen klar.
Mittlerweile wirkt die Politik grüner Minister in Hessen so wie die der Konkurrenz: Wie der SPIEGEL berichtet, hat Umweltministerin Priska Hinz Behörden-Warnungen vertuscht, wonach die Salzabwässer des Konzerns K+S eine größere Gefahr fürs Grundwasser bedeuten, als bisher bekannt. Wirtschaft vor Öko.
Wenn sie so weitermachen, dürften den Grünen bis 2017 die Stammwähler davonlaufen. Dann haben sie sich zwar als brave CDU-Koalitionäre erwiesen, aber auch als eine Partei ohne Ideale. Und die Pointe der Geschichte könnte sein: Die FDP schafft es wieder in den Bundestag - und am Ende koaliert Angela Merkel erneut mit den Liberalen.

Florian Gathmann ist Redakteur im Parlamentsbüro von SPIEGEL ONLINE in Berlin. Er beobachtet Joachim Gauck schon seit seiner ersten erfolglosen Präsidentschafts-Kandidatur 2010.
E-Mail: Florian_Gathmann@spiegel.de