Koalitionsangebot Linke drängt Rot-Grün zum gemeinsamen Mitgliederentscheid
Die Linke lockt SPD und Grüne mit einem neuen Angebot. Sie schlägt ein Votum an der Basis aller drei Parteien vor: Die Mitglieder sollten entscheiden, ob sie Rot-Rot-Grün wollten.
kgp/dpa Berlin - SPD und Grüne mühen sich, nach der Bundestagswahl die Annäherungsversuche der Linken abzuwehren. Erst schlug Linkspartei-Chefin Kipping vor, die gemeinsame Mehrheit im Bundestag zu nutzen, um rasch einen Mindestlohn zu beschließen. Nun präsentiert sie einen neuen Vorschlag: Die drei Parteien sollten einen gemeinsamen Mitgliederentscheid über ein rot-rot-grünes Bündnis abhalten.
"Die sauberste Lösung wäre, wenn alle Parteien links der Mitte gemeinsam ihre Basis befragen würden, ob sie Rot-Rot-Grün oder Merkel plus wollen", sagte Kipping den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Wir sind bereit zu sondieren."
Kipping nutzte die Gelegenheit, ihren Vorstoß zum gesetzlichen Mindestlohn zu erweitern. "Wenn die soziale Veränderungsmehrheit trägt, können wir sehr schnell ähnliche Initiativen nachschieben. Wir könnten zum Beispiel gemeinsam das Betreuungsgeld abschaffen und das freiwerdende Geld in Kindergartenplätze investieren", sagte sie. "Wir sollten sie nutzen."
SPD und Grüne lehnen die Avancen der Linken ab. Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt sagte den Zeitungen, die nächste Regierung werde an einem flächendeckenden Mindestlohn nicht vorbeikommen. Kippings Offerte sei dagegen "durchsichtig und setzt auf eine bundespolitische Zusammenarbeit von Rot-Rot-Grün, die es mit dieser Linkspartei nicht geben kann". SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil sprach von "parteitaktischen Spielchen".
Zustimmung kam hingegen von Verdi-Chef Frank Bsirske. "Es ist eine ausgezeichnete Idee, jetzt die Gelegenheit zu nutzen, den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn auf den Weg zu bringen und mit 8,50 Euro einzusteigen, bevor in Koalitionsverhandlungen bindende Festlegungen getroffen wurden", sagte Bsirske der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post".
SPD, Grüne und Linkspartei haben im Bundestag eine rechnerische Mehrheit. SPD und Grüne haben eine Zusammenarbeit jedoch ausgeschlossen.
Ypsilanti fordert SPD zum Umdenken auf
Die frühere hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti riet Sozialdemokraten und Grünen, ihr Verhältnis zur Linkspartei grundsätzlich zu klären und auch offen für Bündnisse zu sein. Beide Parteien seien darauf verfallen, nur in Abgrenzungsstrategien zu denken, sagte Ypsilanti dem Berliner "Tagesspiegel". "Und das ist eine schlechte Voraussetzung, um eine Reformregierung zu stellen."
Ypsilanti war 2008 mit dem Versuch gescheitert, sich mit Unterstützung der Linkspartei zur hessischen Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Vor der Landtagswahl hatte sie eine Zusammenarbeit mit der Linken damals ausgeschlossen.
Widerstand gegen Große Koalition
Zurzeit gilt eine Große Koalition als wahrscheinlicher als Rot-Rot-Grün. Mächtige Landesverbände der SPD stemmen sich allerdings dagegen. Am Freitag soll ein Parteikonvent entscheiden, ob Verhandlungen mit der CDU aufgenommen werden dürfen. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Heil bekräftigte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung", dass es keinen Automatismus für ein solches Bündnis gebe. Der SPD gehe es um inhaltliche Überzeugungen und nicht in erster Linie um Ministersessel.
Viele Genossen fordern einen Mitgliederentscheid. Die SPD-Parteispitze zeigt sich vorsichtig offen und erwägt für den Fall von Koalitionsverhandlungen mit der Union vor allem ein Modell: eine Turbo-Mitgliederbefragung über den fertigen Vertrag.
Allerdings wäre auch Schwarz-Grün auf Bundesebene möglich. Führende CDU-Politiker liebäugeln damit. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bezeichnete dies in der Wochenzeitung "Die Zeit" eine realistische Option, falls die Grünen zu Korrekturen an ihrer Steuerpolitik bereit seien. Die Union hatte im Wahlkampf stets gefordert, Steuern nicht erhöhen zu wollen - doch jetzt hat Schäuble selbst einen Schwenk angedeutet: Die CDU-Spitze bereitet ihre Mitglieder offenbar auf Steuererhöhungen vor.
kgp/dpa