Kommentar zur Homo-Ehe Traut euch endlich!
Selbstverständlich sollen Homosexuelle auch in Deutschland heiraten können, mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten. Die Mehrheit will es so - möge es endlich auch der Bundestag beschließen.
Und als das lange Pfingstwochenende gekommen war, waren sie alle aus der Stadt heraus gefahren, um endlich ihre Ruhe zu haben. Und es geschah plötzlich ein Brausen von Irland herüber durch das Autoradio wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Auto, in dem sie saßen.
Und es erschien ihnen das irische Referendum zur Homo-Ehe; und es setzte sich in einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von Vernunft und es erschien ihnen plötzlich sinnlos, zwei Menschen, die sich lieben, die Ehe verweigern zu wollen, nur weil sie nicht Mann und Frau sind, sondern Mann und Mann oder Frau und Frau.
Und sie fingen an zu fordern, die Homo-Ehe endlich auch in Deutschland zu erlauben, wie der gesunde Menschenverstand ihnen gab auszusprechen.
Deutschland sieht sich gern fortschrittlich - wirkt aber verspannt
Wahrlich, ich sage euch: Dieses Pfingstwochenende könnte geradezu biblische Folgen haben. Lange war es still geworden um die Homo-Ehe im Mainstream dieser Gesellschaft, erst die überwältigende Mehrheitsbekundung der Iren bringt das Thema wieder auf die hiesige Agenda. Und plötzlich wird klar: Deutschland ist gar nicht so fortschrittlich, wie es sich gerne sieht - es wirkt eher angstvoll und verspannt.
Beschämend lange konnten die sich besonders christlich gebenden Vertreter der CDU und CSU so tun, als sei die gleichgeschlechtliche Heirat nicht einfach so per Gesetz zu erlauben, weil sie eine Bedrohung der vom Grundgesetz geschützten Ehe darstelle - ein Problem, das das Bundesverfassungsgericht längst nicht mehr sieht, vollkommen zu Recht übrigens, denn wie bitteschön soll die Schließung einer Ehe eine andere Ehe beeinträchtigen?
Beschämend lange haben sich Koalitionspartner der Union deren gestriger Auffassung unterworfen, sich unter Verweis auf die Bündnistreue weggeduckt, wenn es um die Homo-Ehe ging: Früher mehrfach die FDP, die die gleichgeschlechtliche Ehe zwar schon lange fordert, aber nicht dafür eintrat, als sie es noch konnte. Und jetzt die SPD, die vollmundig noch mit dem Slogan "100 Prozent Gleichstellung nur mit uns" zur letzten Bundestagswahl angetreten war, sich dann aber in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen konnte.
Gegen die Homo-Ehe gibt es keine rationalen Argumente
Beschämend ist die Verweigerung der Öffnung des Instituts der Ehe für alle Menschen vor allem deswegen, weil es tatsächlich keine validen Argumente dagegen gibt. Der Widerstand gegen die Homo-Ehe lässt sich nicht rational begründen. Seit es aus der Mode gekommen ist, sich auf entsprechende biblische Verbote zu berufen, argumentieren ihre Gegner gerne mit dem Verweis auf das gefährdete Kindeswohl - schließlich könnten homosexuelle Ehepartner dann ja auch Kinder ohne den bisherigen gesetzlichen Umweg adoptieren: Ein gleichgeschlechtliches Paar, so der Einwand, entziehe dem Kind das jeweils andersgeschlechtliche Vorbild, und das habe schlimme Folgen. Welche eigentlich? Das kann niemand so genau sagen.
Tatsächlich wäre es dem Kindes- und dem ganzen Landeswohl höchst zuträglich, würde sich diese Gesellschaft über ausnahmslos jedes Paar freuen, das füreinander Verantwortung übernehmen will und auch gemeinsam für ein Kind sorgen möchte. Eine glückliche Kindheit und positive Entwicklung hängt nicht von der Ausformung der Geschlechtsteile der Eltern ab - sondern von deren vorgelebter Liebe, ihrem Engagement und ihrer Zuwendung.
Wer Angst hat vor der Sexualität anderer Leute, weil sie sich von der eigenen unterscheidet, ist zu bedauern. Ein Recht, anderen Vorschriften über ihre Lebensführung zu machen und über ihre Fähigkeit zu Partnerschaft und Erziehung zu urteilen, lässt sich aus dieser Angst jedoch nicht ableiten. Die Mehrheit der Menschen in diesem Land hat das längst begriffen: Seit Jahren gibt es eine solide Zweidrittelzustimmung in Umfragen zur Einführung der Homo-Ehe.
Der Justizminister kann sich die Arbeit sparen
Jetzt will die Bundesregierung 23 Gesetze und Vorschriften ändern, um die eingetragene Lebenspartnerschaft, dieses verschwiemelte Hilfskonstrukt für die rechtliche Anerkennung der Partnerschaft zweier Homosexueller, der Ehe noch ähnlicher zu machen. Eine peinliche Veranstaltung, denn der Justizminister könnte sich dieses Kleinklein sparen: Ein einziges Gesetz genügt, beschlossen von der vorhandenen Mehrheit im Deutschen Bundestag. Die Grünen wollen noch vor der Sommerpause einen entsprechenden Antrag einbringen.
Mögen die Abgeordneten darüber nicht nach Fraktionszwang abstimmen, sondern nach ihrem Gewissen - auf dass sich der Geist der Liebe endlich auch ergieße ins deutsche Gesetz.
Im Video: Ja zur Homo-Ehe in Irland
Sollten homo- und heterosexuelle Ehen gleichgestellt werden?

E-Mail: Stefan_Kuzmany@spiegel.de
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