Sexskandal um Landrat Adam Der Clinton vom Bayerischen Wald
Landrat Adam galt als Messias der chronisch schwachen Bayern-SPD. Doch dann bestellte er sich junge Männer zum Sex ins Büro und glaubte, dass es keiner merkt. Das Erstaunliche daran: Geschadet hat ihm die Affäre bislang kaum.
Es ist nur ein Fluchtstollen neben dem Riedberg-Tunnel, der in einen Hang unter der Stadt Regen in Ostbayern getrieben wird, zwei mal zwei Meter Durchmesser, gut 200 Meter lang. Doch der Baustart wird gebührend begangen in dem ostbayerischen Luftkurort, eine halbe Autostunde entfernt von der Grenze zu Tschechien.
Blaskapelle, Beflaggung, Defiliermarsch, Bayernhymne, Kräuterschnaps - es läuft das ganze Programm, für die Region ist der Stollenanstich ein Großereignis. Ein Staatsminister ist angereist, der Regierungsdirektor, lokale Honoratioren und der Mann, vom dem man Minuten vorher noch gerätselt hat, ob er sich heute vor die Tür traut: Landrat Michael Adam, Sozialdemokrat, 28 Jahre, evangelisch, schwul, verpartnert - und neuerdings im Zentrum der deftigsten Sex-Affäre, an die man sich im Bayerischen Wald erinnern kann.
Ausgelöst hat sie die "Bild am Sonntag". Die titelte: "Bayerischer Landrat - Sex im Amt." Ein 20-Jähriger hatte der Zeitung geschildert, wie er bereits im Dezember 2012 von Adam im Dienstwagen zum Landratsamt geschmuggelt worden war. Danach sei es zu sexuellen Handlungen gekommen.
Die Enthüllung brachte das Städtchen Regen samt Kreisbehörde zumindest für ein paar Tage zum Beben. Sex im Dienstzimmer mag anstößig sein, ist aber nicht strafbar und auch kein Thema für die Dienstaufsicht, zumal nach Büroschluss wie im Fall Adam. Die Affäre von Landrat Adam ist aber von einer Qualität, die die Toleranz einer erzkatholischen Kreisbevölkerung strapaziert.
Der SPD-Politiker war von dem 20-Jährigen auf der Internetplattform "Gayromeo" angeschrieben worden, kurz danach kam es zum ersten Treffen. Mit seiner schwarzen Dienstlimousine brachte Adam die neue Bekanntschaft abends zum Landratsamt, schleuste den Mann durch einen Nebeneingang ins Gebäude, sperrte sich mit ihm im Konferenzraum ein, weil sich dort eine Ledercouch zur Benutzung anbot, und löschte das Licht.
Damit nicht genug: Der Gast legte später gegenüber Journalisten eine SMS vor, in der ihn der Landrat bat, Poppers zum Treffen mitzubringen. Die Substanz, die nicht als Droge, sondern als Arzneimittel gilt, wird aus kleinen Fläschchen inhaliert, erweitert die Gefäße und wirkt schmerzhemmend.
Angebliche Schwulen-Orgien im Hallenbad
Adam bestätigte das Treffen. Bald machten Geschichten über angebliche sexuelle Ausschweifungen die Runde, Bordellbesuche, bis hin zu Schwulen-Orgien im Hallenbad von Bodenmais. Alles erfunden, aber unterhaltsam. Lokale Medien verglichen den Bayerwald-Politiker mit US-Präsident Bill Clinton, der sich im Oval Office mit einer Praktikantin vergnügt hatte, mit Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi, der Minderjährige verführt hatte, und dem früheren Chef des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn, gegen den wegen sexueller Übergriffe ermittelt wurde. "Macht und Sex-Affären" hieß die aufgewärmte Story, die nun auch den südöstlichen Zipfel der Republik erreichte.
Den Vergleich mit Clinton empfinde er noch als Ehre, kommentierte Adam jüngst kleinlaut. Gegen alles andere werde er sich zur Wehr setzen. Mehr als eine Stunde lang gestand Adam vor laufenden Kameras seine Extravaganzen im Dienstgebäude und beantwortete Fragen von Journalisten zu pikanten Details. Wohl aus Furcht vor weiteren Enthüllungen räumte er gleich ein, sich insgesamt drei Mal mit jungen Männern im Amt getroffen zu haben, und, übrigens, auch schon vorher drei Mal im Bürgermeisterzimmer von Bodenmais. Adam war offenbar naiv genug zu glauben, dass solche Treffen selbst in Orten geheim bleiben, wo jeder jeden kennt.
Adam galt vor den Sex-Schlagzeilen als großes Talent der Bayern-SPD. Es schien so, als könne nichts den frechen und wortgewandten jungen Politiker aufhalten. Adam outete sich früh als homosexuell und wurde mit nur 23 Jahren in Bodenmais zum jüngsten Bürgermeister Bayerns gewählt. Ein Roter in der Hochburg der Schwarzen, schwul und evangelisch, eine Sensation.
Wo Adam erschien, jubelten die Zuhörer. Ältere Damen kamen in Scharen zu seinen Auftritten, Unternehmer und Bauern freuten sich, da sei jetzt mal einer, mit dem könne man immer und über alles reden, und das vor allem in Dialekt. Die SPD umschmeichelte "den Michi" als "unseren Wald-Wowi", CSU-Mandatsträger in Niederbayern versuchten, ihn in ihre Partei zu locken. Als sich 2011 der Regener CSU-Landrat das Leben nahm, kandidierte Adam für das Amt und siegte mit 57 Prozent der Stimmen. Der Liebling der Landbewohner legte als "gläserner Landrat" auf seiner Internetseite seine Bezüge offen und alle privaten Fahrten mit dem Dienstwagen, die er auf den Cent genau berechnen ließ. Adam wollte weg vom Image der Provinz, die hinterm Wald liegt, er forderte Großstadtflair für den Kreis Regen.
Viel Ruhm machte übermütig
Die Bayern-SPD, seit Jahren im Sinkflug und nicht gesegnet mit Nachwuchshoffnungen, sah in Adam schon den nächsten Herausforderer von Horst Seehofer, zumindest aber seinen Aufstieg in die Bundespolitik.
So viel Ruhm macht übermütig. Adam legte sich zunächst mit dem bayerischen SPD-Chef Florian Pronold an und äußerte auf Facebook, in der Parteizentrale seien nur "Ja-Sager und Speichellecker" erwünscht. Nach der Bundestagswahl im September postete er freimütig, er habe diesmal CSU gewählt. Als ein junger Mann aus seinem Bekanntenkreis vor einer Disco von Sicherheitsleuten Prügel bezogen hatte, schrieb der Landrat im sozialen Netz, die Mehrheit der Türsteher vor größeren Bayerwald-Discotheken sei "offensichtlich gehirnamputiert".
Danach dauerte es nicht mehr lange, bis pikante Infos über Sex in den Amtsstuben in der Presse landeten. Möglich, dass ein Discothekenbetreiber seine Kenntnisse aus der Schwulenszene nutzte. Die anstößigen Dates in Amtsräumen seien schon längst Thema gewesen, heißt es unter Lokaljournalisten in Regen. Der 20-jährige Besucher von Adam sei am Ende überredet worden, die Affäre öffentlich zu machen.
Geschadet hat es dem SPD-Jungstar wohl nicht. Kurz nach dem "BamS"-Bericht starteten örtliche Unternehmer in Regen die Kampagne "Wir sind Landrat" und riefen zu einer Demo für Adam auf. Beim Stollenanstich am Riedberg-Tunnel spendeten seine Fans nach einem gelungenen Grußwort wieder den gewohnten Applaus.
Einen Rücktritt, den Parteikollegen gefordert hatten, schloss Adam aus. Er sei für sechs Jahre gewählt, er habe gegen keine Dienstvorschrift verstoßen. Den Rest müsse er eben aushalten: "Ich habe brutal ausgeteilt und muss nun brutal einstecken."