
Die Lage am Donnerstag Liebe Leserin, lieber Leser,
diese Überraschung ist geglückt: Entgegen allen Erwartungen gibt sich US-Präsident Donald Trump im Handelsstreit mit der EU plötzlich handzahm. In Washington einigte er sich mit EU-Kommissionchef Jean-Claude Juncker darauf, sofort mit den Europäern in Verhandlungen über einen neuen großen Handelsvertrag einzusteigen, der unter anderem den Abbau aller Zölle auf Industriegüter zum Ziel haben soll. Solange konstruktiv verhandelt wird, soll auf weitere Strafzölle verzichtet werden. Das heißt: Die angedrohten US-Zölle auf Autos werden - zumindest vorerst - nicht kommen. Und auch die bereits verhängten Strafzölle sollen "überprüft" werden. Juncker sicherte Trump im Gegenzug zu, Europa werde mehr amerikanische Sojabohnen und Flüssiggas kaufen. Eine weitere Eskalation des Handelsstreits ist damit abgewendet.
Für die Europäer ist das ein Erfolg, zeigt sich doch, dass der Druck, den man gemeinsam in Washington aufgebaut hat, bei Trump nicht ohne Wirkung geblieben ist. Und auch Trump feiert sich als Sieger: Er kann seinen Wählern vor den wichtigen Midterm-Wahlen das Gefühl geben, dass er wieder einen "Deal" erzielt hat. Gleichwohl ist die Einigung mit Vorsicht zu genießen: Auch wenn er sich heute versöhnlich gibt, kann Trump morgen schon wieder umschalten und die Verhandlungen torpedieren - so wie es ihm im US-Wahlkampf gerade politisch opportun erscheint. Denn auf eins ist immer Verlass: auf Trumps Unberechenbarkeit.
Wann kommt Putin?
Und noch eine Kehrtwende: Nach der scharfen Kritik in Washington an Donald Trumps politischem Flirt mit Wladimir Putin in Helsinki ist die US-Regierung nun offenbar bemüht, Härte gegenüber Russland zu demonstrieren. US-Außenminister Mike Pompeo stellte bei einer Anhörung vor dem Senat in Washington klar, dass man weiterhin die Annexion der Krim durch Russland verurteile und diese auch nicht anerkennen werde. Zugleich wurde bekannt, dass Putin nun doch nicht im Herbst ins Weiße Haus kommen soll. Der Besuch werde wohl erst im kommenden Jahr erfolgen, sagte Trumps Sicherheitsberater John Bolton. "Nach dem Ende der Russland-Hexenjagd." Damit meint er die Untersuchung von Sonderermittler Robert Mueller in der sogenannten Russlandaffäre. Wann diese Arbeit abgeschlossen wird, ist bislang allerdings noch offen.
EZB-Rat berät über Zinsen und Handel
Donald Trumps Handelspolitik gegenüber der EU und China dürfte auch eines der Themen bei der heutigen Ratssitzung der Europäischen Zentralbank sein. Es wird interessant sein zu hören, ob und wie sich EZB-Präsident Mario Draghi dazu äußert. Vielleicht nimmt er auch zu den jüngsten Vorwürfen Trumps Stellung, die Europäer würden ihre Währung manipulieren, um ihre Exporte anzukurbeln. Mit neuen konkreten Aussagen des Notenbankchefs zur Entwicklung der Zinsen im Euroraum wird eher nicht gerechnet. Bereits im Juni hatte sich die EZB festgelegt, dass diese "über den Sommer 2019" hinaus auf dem aktuellen Niveau bleiben sollen. Für uns Bankkunden heißt das: Auf dem Festgeldkonto gibt's auch weiter nur "Peanuts". Aber wenigstens bleiben die Kreditzinsen niedrig.
Gewinner des Tages...
... sind die "Sky Marshals". Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sitzen diese Zivilpolizisten unerkannt in Flugzeugen auf bestimmten Flugstrecken, um alle an Bord vor möglichen Terrorattacken zu schützen. Das kann gar nicht genug gewürdigt werden. Etwas seltsam wirkt in diesem Zusammenhang das Verhalten der Lufthansa, die von diesem Dienst natürlich auch profitiert. Die Airline ist dazu angehalten, die Polizisten kostenlos zu transportieren, klagt aber dagegen, dass sie für die Beamten auch die üblichen Start- und Landegebühren, Zollgebühren und Steuern zahlen soll. Heute wird der Bundesgerichtshof in der Sache entscheiden. Die Lufthansa fordert 2,3 Millionen Euro zurück. Das wirkt doch etwas kleinlich - bei einem operativen Ergebnis von fast drei Milliarden Euro.
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Ihr Roland Nelles