
Die Lage am Freitag Liebe Leserin, lieber Leser,
er sei, sagt Außenminister Heiko Maas, "wegen Auschwitz in die Politik gegangen". Aber was heißt das eigentlich? Was meint er damit genau? Und wie kann er diesen Anspruch als Außenpolitiker einlösen? Dieser Frage ist mein Kollege Alexander Osang, Autor und Nahost-Korrespondent des SPIEGEL, für die neue Ausgabe nachgegangen, die Sie heute Abend ab 18 Uhr elektronisch abrufen können.
Osang beschreibt einen Außenminister, der das eigentlich selbst nicht so genau sagen kann; der Auschwitz besucht, dem dort dann aber nur Floskeln einfallen; einen Politiker, der vor allem alles richtig machen will. "Wenn man unser deutsches Gewissen für einen modernen Spielfilm besetzen müsste, könnte man Heiko Maas nehmen", schreibt Osang.
Die "Bild"-Zeitung hat gestern eine These aufgegriffen, die mein Kollege Markus Feldenkirchen in seinem großen Artikel über den Zustand der CSU entwickelt hatte: dass einer der Gründe für den Niedergang der Partei der Zuzug nach Bayern sei. Bayern ist einfach wirtschaftlich so erfolgreich, dass dort immer mehr Menschen leben und arbeiten, die nicht mit der CSU aufgewachsen sind, und daher, so "Bild", eine größere Distanz zur Partei haben. Vielleicht sollte die CSU über eine Einschränkung der Freizügigkeit nachdenken? Oder Wahlrecht erst nach 20 Jahren in Bayern gewähren? Egal, für den kommenden Sonntag wird das alles nichts mehr helfen.
Die Macht der "Lebensschützer"
Vor einem knappen Vierteljahrhundert wurde nach langem Ringen der Kompromiss um den Abtreibungsparagrafen 218 im Bundestag verabschiedet - der große gesellschaftliche Konflikt zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Schutz ungeborenen Lebens schien dauerhaft befriedet. Doch seit einigen Jahren wird in Deutschland die Bewegung der "Lebensschützer" lauter und mächtiger. Heute beginnt der Berufungsprozess gegen die Gießener Frauenärztin Kristina Hänel, die sich wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verantworten musste.
In erster Instanz war sie im vergangenen November zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden. Die Klage gegen Hänel hatten Vertreter der "Lebensschützer"-Bewegung angestrengt. Wie die Bewegung in Deutschland immer mehr Zulauf bekommt, wer sich dort engagiert und warum sie immer radikaler wird, beschreibt meine Kollegin Anne Seith im neuen SPIEGEL.
Gewinnerin des Tages...
... ist die Schriftstellerin Juli Zeh, bekannt durch ihren überaus erfolgreichen Roman "Unterleuten" über die Verwerfungen in einem brandenburgischen Dorf nach dem Ende der DDR, über Ex-LPG-Chefs, westdeutsche Öko-Idealisten und Pferdenärrinnen. Da ich selbst meine Wochenenden auf dem Land in Brandenburg verbringe, habe ich "Unterleuten" mit großer innerer Anteilnahme gelesen und weiß, wie wahr er ist. Nun soll die Autorin, die nebenbei promovierte Völkerrechtlerin und SPD-Mitglied ist, Richterin am Brandenburger Verfassungsgericht werden. Ist das der Stoff für ihren nächsten Roman?
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Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Freitag.
Herzlich,
Ihre Christiane Hoffmann