
Die Lage am Mittwoch Liebe Leserin, lieber Leser,
Satzung ist Satzung, so viel Ordnung muss sein, selbst im SPD-Chaos. Deshalb konnte Andrea Nahles nun doch nicht kommissarische Vorsitzende der Sozialdemokraten werden. Ein weiterer Plan, das Führungsdebakel zu beenden, ist damit gescheitert.
Nun muss Olaf Scholz es machen, und mit diesem Duo - ein kommissarischer Vorsitzender und eine designierte Vorsitzende - wird die SPD-Führung in den kommenden Wochen versuchen, ihre Basis von Sinn und Zweck der Großen Koalition zu überzeugen. Oje. Dort brodelt es, der Unmut wächst. Denkzettel-Stimmung. Und in Umfragen liegen die Sozialdemokraten nur noch ein bis zwei Prozent vor den Rechtspopulisten von der AfD.
Brauchtum
Der politische Aschermittwoch ist eine Institution, deren Ursprünge ins 16. Jahrhundert zurückreichen. Laut Wikipedia dient er weniger dazu, "detaillierte Sachkritik vorzubringen", als "dem Schließen der eigenen Reihen, der Motivation der Parteianhänger und zur Verunsicherung des politischen Gegners". Unmöglich, an dieser Stelle aufzuzählen, wen die Parteien dazu heute alles aufbieten werden. Ikonen des Karnevals sind darunter, wie etwa Bayerns designierter Ministerpräsident Markus Söder, aber auch weniger prädestinierte Bierzeltredner wie etwa der Linke Dietmar Bartsch.
Von Bayern aus hat sich der politische Aschermittwoch über die Jahrhunderte auf ganz Deutschland ausgebreitet, sogar in karnevalsfreie Zonen wie Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, wo die Stimmungskanonen Ralf Stegner (Hotel am Alten Bahnhof, Marne) und, ja, Kanzlerin Angela Merkel (Tennis- und Squash-Center, Demmin) antreten. Abgesagt haben dagegen Martin Schulz (aus verständlichen Gründen) und Horst Seehofer (wegen Grippe). Vielleicht ist der CSU-Chef aber auch verschnupft, weil eine Mehrheit seiner Landsleute seine Pläne für seine politische Zukunft nicht billigt. Laut einer aktuellen Umfrage würden zwei Drittel der Bayern ihn lieber in den Ruhestand schicken als ins neu erfundene Heimatministerium nach Berlin.
Ohrfeige
Auch nach der Vertreibung des "Islamischen Staats" bleibt Syrien ein Hort des Unfriedens für die ganze Region. Die Spannungen zwischen Iran und Israel wachsen, am Wochenende war schon von einem drohenden Krieg die Rede, nachdem die Syrer einen israelischen Kampfjet abgeschossen hatten.
Gleichzeitig wird die Türkei im Nachbarland immer mehr zur Kriegspartei, Ankaras Einsatz gegen die Kurden ist weit schwieriger, als Präsident Recep Tayyip Erdogan sich das vorgestellt hatte. Jetzt könnte es in der Kurdenfrage auch noch zu einem Zerwürfnis mit dem Nato-Partner USA kommen, Erdogan drohte Washington gestern mit einer "osmanischen Ohrfeige". Was das ist? Das kann der Türke dem Amerikaner erklären, wenn sich heute die Nato-Verteidigungsminister in Brüssel treffen.
Person des Tages...
... ist mein Kollege Deniz Yücel. Seit genau einem Jahr ist er jetzt in der Türkei inhaftiert, ohne Anklage. Er ist zum Symbol für die Verwerfungen zwischen Deutschland und der Türkei geworden, Gefangener der Spannungen zwischen beiden Ländern. In Berlin wird es heute eine Menschenkette, eine Buchvorstellung und sehr viel Berichterstattung geben. Aber im Auswärtigen Amt, wo man sich um die Freilassung Yücels bemüht, sieht man die öffentliche Aufmerksamkeit als eher wenig hilfreich. Fälle, die eine geringere Publizität genießen, lassen sich oft leichter lösen, weil es dann nicht auch noch darum geht, wie man gesichtswahrend aus der Sache herauskommt. Es ist ein schmaler Grat. Für die Inhaftierten ist es wichtig, dass immer wieder öffentlich an sie erinnert wird, dass sie sich nicht vergessen fühlen. Für ihre Freilassung ist es oft besser, wenn alles etwas diskreter abläuft.
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Mit herzlichem Gruß,
Ihre Christiane Hoffmann