Polizeistrategie für Stuttgart 21 "Wegtragen kostet 40 Euro"
Der Streit um den geplanten Bahnhof S21 geht weiter, doch Stuttgarts Polizeipräsident Thomas Züfle sieht sich gut vorbereitet: Er rechne nicht mit gewaltsamen Protesten, sagte der dem SPIEGEL. Und wenn doch, würde die Polizei ihr schwäbischstes Mittel anwenden.
Hamburg - In Stuttgart droht im Streit um das Bahnhofsprojekt S21 neues Ungemach: Die grün-rote Landesregierung steuert womöglich auf die erste ernsthafte Auseinandersetzung mit den Demonstranten zu - aber der Stuttgarter Polizeipräsident Thomas Züfle sieht dem gelassen entgegen: "Wir gehen davon aus, dass die Demonstranten nur von gewaltfreien Mitteln des Protests Gebrauch machen werden", sagte er dem SPIEGEL. "Aber niemand kann vorhersagen, ob es nicht ein paar einzelne Radikale geben wird, die das Gesetz ignorieren und mitziehen."
Zur Not würden sie Platzverweise aussprechen, die Personalien aufnehmen, Aktivisten wegführen oder wegtragen - und dabei ihr "schwäbischstes Mittel" anwenden: Sie wollen den Abtransport in Rechnung stellen. "Das Wegtragen kostet 40 Euro pro angefangene Beamtenstunde", sagte Züfle.
Ab Donnerstag gilt für den Mittleren Schlossgarten ein Campierverbot. Dort hatten sich vor gut einem Jahr mehrere Dutzend Stuttgart-21-Gegner einquartiert. Eigentlich sollten ab Mitte Januar die ersten Bäume gefällt werden, das wurde der Bahn dann allerdings verboten. Erst sollte geklärt werden, wie seltene Käfer gerettet werden können. Angesichts des bevorstehenden Campierverbots sagte Züfle dem SPIEGEL: "Wir werden nur dort absperren, wo auch tatsächlich zeitnah Baumaßnahmen der Bahn umgesetzt werden. Anders wäre so ein aufwendiger Polizeieinsatz nicht zu rechtfertigen."
Die Volksabstimmung habe nicht alles beruhigt
Kurz vor den Baumfällarbeiten am 30. September 2010 war es zu einem Polizeieinsatz mit Wasserwerfern und über hundert Verletzten gekommen. Ein Debakel mit weinenden und blutenden Demonstranten. Die Stuttgarter Polizei habe nun ihre Antikonfliktteams aufgestockt, statt Wasserwerfer zu ordern, sagte Züfle. "Ein eigener Planungsstab beschäftigt sich seit Monaten nur mit Einsätzen rund um Stuttgart 21." Anstatt sogenannte Polizeikessel zu bilden, bei denen Polizisten die Demonstranten umringen, würde die Polizei Projektgegner fortlaufend dazu auffordern, das Gelände zu räumen. "Akustisch und über Spruchbänder." Zudem solle über Facebook und Twitter aktuell über den Einsatz informiert werden.
Die Polizei habe mit den Parkschützern gute Gespräche geführt. "Die Volksabstimmung hat viele befriedet", sagte er, "aber nicht alles beruhigt."
fln