Radikale Muslime Auch CDU-Politiker rügen Friedrichs "Vermisst"-Kampagne
Für seine Aktion gegen die Radikalisierung junger Muslime wird Innenminister Hans-Peter Friedrich jetzt auch aus den eigenen Reihen kritisiert. CDU-Politiker Ruprecht Polenz fordert den kompletten Abbruch der "Vermisst"-Kampagne. Migrantenverbände sprechen von einem Vertrauensverlust.
Berlin - In der Union regt sich nun ebenfalls Widerstand gegen das ohnehin umstrittene Vorhaben des Bundesinnenministeriums, mit der "Vermisst"-Kampagne die Radikalisierung junger Muslime zu stoppen. "Das Innenministerium muss erkennen, dass es so nicht geht", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU) der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ("FAS"). Nach Informationen der Zeitung sehen zahlreiche Unionsfraktionsmitglieder die Kampagne kritisch.
Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung und CDU-Politikerin Maria Böhmer äußerte gegenüber der Zeitung Zweifel, "ob mit einer solchen Visualisierung das Ziel erreicht wird". Ressortchef Hans-Peter Friedrich (CSU) verteidigt seine Aktion weiterhin. Die Kampagne soll im Stil von Vermisstenanzeigen auf eine Beratungsstelle für Angehörige junger, sich radikalisierender Muslime hinweisen.
Bei Opposition und Migrantenverbänden steht die Aktion allerdings bereits seit einiger Zeit in der Kritik. Der Zentralrat der Muslime bemängelte etwa, die Kampagne festige Stereotype, Vorurteile und Ängste in der Bevölkerung. "Mich ärgert es, dass die Kampagne missbraucht wird, um mir eine islamfeindliche Einstellung vorzuwerfen", sagte Friedrich dem "Tagesspiegel". Die Materialien richteten sich auch "an junge Konvertiten", sagte der Minister. Deshalb zeige die Hälfte der Plakate einen blonden, deutschen Jungen. Die andere zeige junge Türken oder Araber.
Kritik an Verteilung von "Vermisst"-Postkarten an NSU-Tatort in Köln
Wegen der angespannten Sicherheitslage aufgrund des jüngsten Anti-Islam-Films war der Start einer zur Kampagne gehörenden Plakataktion verschoben worden. Polenz forderte nun, die Kampagne ganz abzubrechen. "In dieser Form sollte die Kampagne nicht fortgesetzt werden", sagte er. Zwar sei die Absicht der Aktion im Grundsatz richtig. Allerdings werde durch die verwendeten Plakate "die gesamte muslimische Minderheit in die Nähe von Extremismus und Fundamentalismus gerückt".
Böhmer zeigte sich überrascht, "dass, nachdem die Plakataktion zurückgestellt wurde, dann Postkarten verteilt wurden. Und das ausgerechnet auch in der Keupstraße in Köln, wo es bei einem Mordanschlag der NSU zahlreiche Verletzte gegeben hat." Der Sprecher des Koordinationsrats der muslimischen Migrantenverbände Ali Kizilkaya nannte das Verteilen von Postkarten der Kampagne in der Keupstraße "unbeschreiblich unsensibel".
Kizilkaya rief Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck dazu auf, dafür zu sorgen, dass "diese unsägliche Kampagne" eingestellt wird. "Ich hoffe, dass der Bundespräsident sich einschaltet und die Bundeskanzlerin ein Machtwort spricht", sagte Kizilkaya der "FAS". Das Vertrauen zwischen dem Innenminister und den muslimischen Verbänden sei durch die Kampagne sehr stark beschädigt worden.
lgr/dapd