Rechtsextremismus-Hochburg Sachsen-Anhalt Herr Diaby bekommt Morddrohungen
Eine Südkoreanerin wird in der Straßenbahn gewürgt, ein bekennender Neonazi trainiert jahrelang den Fußballnachwuchs, ein schwarzer Stadtrat erhält Morddrohungen - Alltag in Sachsen-Anhalt. Das Bundesland nimmt in der Statistik einen traurigen Spitzenplatz ein: bei rechtsextremistischer Gewalt.
Halle/Laucha/Magdeburg - Die hässliche Botschaft an Karamba Diaby kam auf einer Postkarte mit einem Motiv von Neuschwanstein. Als wäre es ein Urlaubsgruß. Ein Foto von König Ludwigs romantisch-lieblichem Märchenschloss, alles Gute aus Bayern sozusagen, aber auf der Rückseite ist schon Schluss mit Freundlichkeit. Ganze zwei Sätze stehen darauf, adressiert an den schwarzen SPD-Stadtrat aus Halle in Sachsen-Anhalt. Neun Wörter konzentrierter Hass und Rassismus: "Hallo Bimbo, wieder gut schmarotzt heute! Ab nach Afrika!"
Ein anderer schickte einen Umschlag, darin ein Din-A4-Blatt: "Du scheiß, dreckiger Neger! Geh zurück in den Busch, aus dem du kommst."
Die Post landete wenige Tage nach seinem Gespräch mit der rechtslastigen Zeitung "Junge Freiheit" bei Diaby. Die Redaktion hatte sich bei ihm gemeldet, um über das Treffen des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats zu sprechen. Als er den Anrufer in der Leitung hatte, hörte Diaby nur den zweiten Teil des Zeitungsnamens und dachte: Freiheit, hmm, klingt doch gut. "Was für eine Zeitung ist das?", fragte Diaby. "Eine politische Zeitung aus Berlin." Und dann sprachen sie über die Versammlung des Zuwanderungsrats, an dessen Spitze Diaby steht. Das Gremium habe beschlossen, eine Petition an den Bundestag zu schicken, um für eine Ausweitung des Volksverhetzungsparagrafen 130 des Strafgesetzbuchs zu werben, erzählte Diaby dem Blatt. Das Ziel: Man fordere eine konsequentere Ahndung rassistischer und volksverhetzender Äußerungen.
"Brauchen Sie eine neue Leiche? Kein Problem"
So stand es auch wenig später in einem Artikel der "Jungen Freiheit", dazu ein Foto von Diaby, der vor 26 Jahren aus dem Senegal in die damalige DDR kam. Das reichte für eine Welle von Hetztiraden gegen den 49-Jährigen, dessen Mail- und Büroadresse schnell im Internet zu finden ist. Briefe, dazu rund 400 E-Mails. Manche gingen auch an den SPD-Bundesvorstand in Berlin, sogar Morddrohungen waren darunter: "Brauchen Sie eine neue Leiche? Kein Problem", heißt es etwa in einer Mail unter Berufung auf den "Nigger Diaby".
Karamba Diaby, Jeans, hellblaues Hemd, dunkles Sakko, sitzt in seinem Büro der Jugendwerkstatt "Frohe Zukunft", der Projektleiter für Migration und Integration ist ein Mann, der gern redet - aber als die Hassbriefe bei ihm landeten, hatte er solche Angst, dass er seiner Frau zunächst nichts von der Post erzählte. "Sie sollte sich nicht auch noch Sorgen machen." Diaby kennt die regelmäßigen Meldungen über rassistische Gewalt in Sachsen-Anhalt, und natürlich kennt er auch den neuesten Bericht des Verfassungsschutzes, den Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Anfang Juli vorlegte: Darin heißt es, dass Sachsen-Anhalt bei "politisch rechts motivierten Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund" bezogen auf die Einwohnerzahl an erster Stelle liegt.
"Ich lasse mich von denen nicht aus der Öffentlichkeit drängen"
Seit die rechtsextreme NPD bei den Landtagswahlen im März an der Fünfprozenthürde scheiterte, dominieren militante Neonazi-Kameradschaften die Szene in dem Bundesland. "Sie sind jetzt der aktivistische Kern", sagt der Magdeburger Rechtsextremismusexperte David Begrich. Im Bericht des Magdeburger Landesverfassungsschutzes heißt es, dass den Kameradschaften "ein vom historischen Nationalsozialismus geprägtes Weltbild eigen" sei. Aber auch die NPD ist in dem Bundesland weiter aktiv: So haben die "Jungen Nationaldemokraten", die Jugendorganisation der Partei mit rund 430 Mitgliedern, ihren Sitz in Halberstadt. Erst Mitte Juli feierte die Szene eine große Party in dem kleinen Dorf Nienhagen bei Halberstadt: Tausend Rechtsextremisten kamen zu einem Neonazi-Konzert, die Behörden sahen keine rechtliche Handhabe für ein Verbot gegen den Auftritt von Bands, die Namen wie "White Resistance", "Sturmtrupp" oder "Nordfront" tragen.
Wenn Karamba Diaby seine Migrations- und Integrationsseminare plant, dann denkt er schon seit Jahren auch an Fragen, die nichts mit dem Seminarthema zu tun haben, dafür aber eine Menge über den Alltag und das eingeschränkte Sicherheitsgefühl vieler Migranten in Deutschland erzählen: Wird es schon dunkel sein, wenn die Veranstaltung zu Ende ist? Muss ich anschließend zu einem abgelegenen Bahnhof? Bewege ich mich im ländlichen Raum? "Ich bin vorsichtig", sagt Diaby, im Zweifelsfall sagt der promovierte Chemiker dann lieber ab.
Die Polizei ermittelt weiter in seinem Fall, in den ersten Tagen nach den Drohbriefen Mitte Mai erhielt Diaby sogar Personenschutz. Damals entfernte er auch die private Mailadresse von seiner Homepage, aber sie soll dort bald wieder zu lesen sein. Diaby sagt: "Ich lasse mich von denen doch nicht aus der Öffentlichkeit drängen."
- 1. Teil: Herr Diaby bekommt Morddrohungen
- 2. Teil: Schläge in der Straßenbahn
- 3. Teil: Ein Hakenkreuz auf der Wade