Rücktritt des Bundespräsidenten Merkel und Westerwelle wollten Köhler umstimmen
Nur zwei Stunden vor der Öffentlichkeit informierte Horst Köhler die Kanzlerin über seinen Rücktrittsplan. Angela Merkel versuchte den Bundespräsidenten noch umzustimmen - und scheiterte. Nun bedauert sie den Schritt "aufs Allerhärteste".
Berlin - Angela Merkel lässt sich Zeit mit ihrem Auftritt nach dem überraschenden Rücktritt von Horst Köhler. Um zwölf Uhr an diesem Montag telefonierte das Staatsoberhaupt mit der Kanzlerin, um die Regierungschefin über seinen Rückzug zu informieren - zwei Stunden vor seiner offiziellen Bekanntgabe. Ein Paukenschlag, auch für Merkel ist das eine schwere Nachricht.
Kurz nach halb fünf am Nachmittag schließlich tritt Merkel vor die Presse. Sie sei von dem Telefonat "überrascht" gewesen, sagt die Kanzlerin. Sie habe versucht, Köhler umzustimmen. Aber: "Das ist leider nicht gelungen."
Merkel fehlen nach dieser überraschenden Entscheidung Köhlers ein bisschen die passenden Worte: Sie bedauere seinen Rücktritt "aufs Allerhärteste", sagt Merkel. Die Menschen in Deutschland "werden sehr traurig sein", betonte die Kanzlerin, Köhler sei ein Bundespräsident der Bürger gewesen. Zudem habe sie mit ihm "immer sehr, sehr gut zusammengearbeitet", Köhler sei ihr ein wichtiger Ratgeber besonders in der Wirtschafts- und Finanzkrise gewesen. "Dieser Rat wird mir fehlen."
Auch Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle wollte Köhler nach eigenen Worten im Amt halten. "Der Bundespräsident hat mich heute Mittag über seine Rücktrittsentscheidung informiert. Ich habe versucht, ihn in diesem Telefongespräch umzustimmen. Der Herr Bundespräsident hat sich aber so entschieden", sagte der FDP-Politiker schmallippig.
Köhler war Merkels und Westerwelles Bundespräsident. Die beiden hatten Köhler ins Rennen gebracht. Jetzt stehen sie ohne ihn da.
Die Begründung für seinen Schritt hatte Köhler am Montagmittag geliefert: Die Kritik an seinen Äußerungen zu Afghanistan habe den notwendigen Respekt vor seinem Amt vermissen lassen. Es sei ihm unterstellt worden, er befürworte Bundeswehreinsätze jenseits des Grundgesetzes. "Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung." Gleichzeitig räumte Köhler ein: "Ich bedauere, dass meine Äußerungen in einer für unsere Nation wichtigen und schwierigen Frage zu Missverständnissen führen konnten" - Linke, Grüne und SPD hatten am Freitag eine Klarstellung gefordert, ob Köhler wirklich Kriege zur Wahrung deutscher Wirtschaftsinteressen befürworte.
Für den Rücktritt Köhlers gab SPD-Chef Sigmar Gabriel jetzt der schwarz-gelben Koalition die Schuld: "Dieser Schritt ist nur erklärbar, wenn man sieht, wie stark ausgerechnet diejenigen, die Horst Köhler gewählt haben, ihm die Unterstützung entzogen haben", sagte Gabriel. Auch er bedauere den Schritt "außerordentlich".
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Der Rücktritt von Köhler verdiene Respekt, sagte Linke-Fraktionschef Gregor Gysi. Köhler habe "die wahren Gründe für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan genannt". Köhlers Reaktion auf die Kritik an seinen diesbezüglichen Äußerungen erscheine aber überzogen. "Auch der höchste Repräsentant der Bundesrepublik muss sich öffentlicher Kritik stellen. Man merkt, dass er vorher kein Politiker war, sonst hätte er das ausgehalten."
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers machte sich für eine rasche Nachfolgeregelung für den zurückgetretenen Bundespräsidenten stark. Seine eigene Aufgabe sieht der CDU-Politiker aber in Nordrhein-Westfalen. Er habe Köhlers Entscheidung mit Respekt zur Kenntnis genommen und bedauere sie sehr, sagte Rüttgers. Köhler sei ein sehr beliebter Bundespräsident gewesen, der viele neue Impulse gesetzt habe - etwa in der Afrika-Politik. Durch seinen Rücktritt sei die Bundesrepublik in eine schwierige politische Situation gekommen. Jeder müsse nun seinen Beitrag leisten, "dass wir diese Situation schnell meistern". Es sei aber noch "nicht die Zeit und der Ort", um Vorschläge für einen Nachfolger zu machen. Rüttgers waren in der Vergangenheit Ambitionen auf das Amt des Bundespräsidenten nachgesagt worden.
hen/dpa/ddp/Reuters