Streit um Wahlkampfauftritte Deutschland verschärft Ton gegenüber der Türkei
Bloß nicht provozieren lassen - das war die Taktik Angela Merkels im Streit mit Präsident Erdogan. Bis jetzt. Nun wählt die Regierung eine härtere Gangart - und droht an drei Fronten gleichzeitig.
Türkische Minister konnten in den letzten Wochen schimpfen, wie sie wollten. Auf eines aber war Verlass: Die Antwort aus Berlin war stets gelassen. Der türkische Präsident spricht von "Nazi-Praktiken"? Außenminister Gabriel betont eine "Schmerzgrenze" und ruft zu einer Normalisierung des Verhältnisses auf. Erdogan sagt, Merkel persönlich unterstütze Terroristen? Die Kanzlerin lässt mitteilen, sie werde sich am "Wettlauf der Provokationen" nicht beteiligen.
So ging das hin und her. Bis jetzt.
Doch nun scheint es langsam auch der deutschen Bundesregierung zu bunt zu werden. Hochrangige Regierungsmitglieder und Ministerien haben Ankara an drei Fronten gleichzeitig angegriffen - und offen mit Konsequenzen gedroht:
1. Die Einreise
"Die Türkei legt immer großen Wert darauf, dass die Ehre ihres Landes nicht verletzt wird. Auch Deutschland hat eine Ehre!", sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er drohte mit Einreiseverboten für türkische Minister, wie sie die Niederlande bereits verhängt haben.
Die Bundesregierung hat bisher auf ein solches Verbot verzichtet. Dafür gibt es zwei Gründe: Sie fordert selbst von der Türkei Meinungsfreiheit und will deswegen nicht in den Verdacht geraten, diese Freiheit in Deutschland in irgendeiner Weise zu beschränken. Außerdem geht die Regierung davon aus, dass ein Einreiseverbot Erdogan im Wahlkampf eher nutzen würde.
2. Die Finanzhilfen
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, der Türkei zugesagte Hilfen seien in Gefahr. Zwar habe er sich offen für entsprechende Bitten des stellvertretenden türkischen Ministerpräsidenten Mehmet Simsek gezeigt, erklärte der CDU-Politiker. Dann aber seien die Inhaftierung des "Welt"-Journalisten Deniz Yücel und andere Dinge passiert. Daher habe er Simsek gesagt, mit Hilfen werde es jetzt ganz schwierig.
Zwar gelte das Ja Deutschlands zur Unterstützung weiter, doch müsse die Türkei dafür die geeigneten Voraussetzungen schaffen. Eine Bedingung ist die Entlassung Yücels. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus: Ein türkisches Gericht hat am Mittwoch einen entsprechenden Antrag von Yücels Anwalt abgelehnt.
3. Das türkische Referendum in Deutschland
Die dritte Drohung kam aus dem Außenministerium. Zwar genehmigte die Bundesregierung, dass türkische Bürger am 16. April in Deutschland ihre Stimme zum Verfassungsreferendum abgeben dürfen. Allerdings knüpft Berlin die Genehmigung an Bedingungen: Wahlkampfauftritte müssten ordentlich angemeldet werden und die Türkei dürfe Deutschland nicht weiter verunglimpfen.
"Der türkischen Seite ist mitgeteilt worden, dass sich die Bundesregierung widrigenfalls vorbehält, die erteilten Genehmigungen zu überprüfen", heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Für Erdogan wäre das ein echtes Problem: Er hat bei der von ihm angestrebten Verfassungsänderung keine sichere Mehrheit - und hofft deshalb auf die "Ja"-Stimmen der Türken in Deutschland.
Das Außenministerium kritisierte zudem, dass Ankara mit Blick auf die Parlamentswahl in Bulgarien verschiedene Maßstäbe anlege. Die "Welt" hatte zuvor berichtet, dass ein bulgarischer Politiker nicht in der Türkei bei der dortigen bulgarischen Minderheit Wahlkampf machen dürfe. Er sei an der Einreise gehindert worden.
Man habe mit "einiger Verwunderung" gesehen, dass die für türkische Politiker in Deutschland eingeforderten Auftrittsrechte nicht in gleicher Weise bulgarischen Politikern in der Türkei gewährt würden, sagte der Sprecher des Außenministeriums.
Wie reagiert die Türkei?
Die massive Kritik konterte der türkische Europaminister Ömer Celik mit der Forderung, das Flüchtlingsabkommen zu überdenken. Die EU habe ihre Verpflichtungen im Gegensatz zur Türkei nicht erfüllt, sagte Celik. Dazu muss man allerdings wissen, dass türkische Minister diese Forderung derzeit im Wochenrhythmus aufstellen - konkret passiert ist bisher nie etwas.
Zudem wurde bekannt, dass die Türkei seit Monaten die Zusammenarbeit mit dem Nato-Partner Österreich blockiert. Die österreichische Regierung kritisierte die Türkei damals für ihr gewaltsames Vorgehen gegen Oppositionelle nach dem gescheiterten Putschversuch. Weiterbildungen für gemeinsame Übungen oder Militäreinsätze müssen deshalb ausfallen.
Korrektur: In einer früheren Fassung dieses Artikels hieß es, Österreich sei Nato-Land. Österreich ist jedoch kein Mitglied des Militärbündnisses, sondern nur Partner. Wir haben den Fehler wenige Minuten nach Veröffentlichung des Textes korrigiert.
sep/Reuters/dpa