Wahlkampf in Deutschland Erdogan umwirbt türkische Flüchtlinge in Asylunterkunft
Ein Flüchtling aus der Türkei hat nach Informationen von SPIEGEL und SWR in einer Asylunterkunft Erdogan-Wahlwerbung erhalten - dabei ist in der Türkei Wahlwerbung im Ausland verboten. Stechen deutsche Behörden Adressen durch?
Wer aus politischen Gründen aus der Türkei nach Deutschland flieht, möchte sich hier sicher fühlen - und von der türkischen Regierung unbehelligt bleiben. Doch die Realität sieht offenbar anders aus.
So erhielt ein Türke, wenige Tage nachdem er in der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Trier seinen Asylantrag gestellt hatte, einen Brief: Er war adressiert an die Flüchtlingsunterkunft, die ihm das Bamf zugewiesen hatte. Nach Informationen von SPIEGEL und SWR bat in dem Schreiben der türkische Präsident und AKP-Chef Recep Tayyip Erdogan darum, ihn und seine Partei bei der Parlaments- und Präsidentschaftswahl wiederzuwählen.
Ähnliche Briefe haben viele türkische Staatsangehörige in Deutschland erhalten, obwohl in der Türkei Wahlwerbung im Ausland verboten ist. Die Schreiben wurden in Deutschland abgeschickt.
Der betroffene politische Flüchtling ist ein Anhänger der Gülen-Bewegung. Erdogan macht sie für den gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich und verfolgt die Bewegung in der Türkei.
Wie aber kam seine AKP an die Adresse des Flüchtlings in Deutschland? Dessen Anwalt, Ramazan Sevinc, hält es für möglich, dass ein Mitarbeiter des Bamf oder einer anderen Behörde die Adresse an eine diplomatische Vertretung der Türkei weitergegeben hat. "Anders ist kaum zu erklären, wie die persönlichen Daten meines Mandanten so schnell nach Ankara gelangt sind", sagt Sevinc. Er hält die Sicherheit seines Mandanten für gefährdet.
Das Bamf teilte mit, dass Schutzsuchende mit vielen Behörden und Dienstleistern zu tun hätten. Im konkreten Fall sei ein datenschutzrechtliches Defizit seitens des Bamf nicht feststellbar.
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