Urlaub mit Haustausch Biete Rheinland, suche Valencia
In den Urlaub fahren, ohne das Budget für die Unterkunft zu strapazieren? Im Netz tauschen Menschen heute nicht nur Reisetipps aus, sondern auch ihre Häuser. Ein bisschen Abenteuerlust ist Voraussetzung - und viel Vertrauen.
Es ist eine Mischung aus Abenteuer und Sparurlaub, wenn Familie Dusi-Schütz im Sommer ihre Wohnung für zwei Wochen tauscht. Von Marienheide im Rheinland geht es in die Nähe von Valencia. Das Mittelmeer ist dort nicht weit und die Terrasse 70 Quadratmeter groß. "Da sagt man nicht nein", meint Mutter Regina.
Gefunden haben sich die Deutschen und die Spanier über die Online-Plattform haustauschferien.com. Dort können Reiselustige einen Steckbrief ihres Hauses, ein Kurzporträt von sich selbst und ihre Wunschreiseziele hinterlassen - in der Hoffnung, dass sich ein Tauschpartner findet. Das kostet bei Haustauschferien.com 80 Euro im Jahr, beim ähnlich aufgebauten Wettbewerber Homelink.de 140 Euro.
Für die Dusi-Schützes wird es ein Urlaub der ungewohnten Art. Einer ohne Hotelzimmer, in denen täglich Handtücher und Bettwäsche ausgetauscht werden, ohne Pool, ohne Zimmerservice. Dafür aber hoffentlich abenteuerreicher und vielleicht auch ein bisschen authentischer. Das jedenfalls ist das Versprechen des Portals Haustauschferien.com, und das verspricht sich nun auch die Familie.
Abenterlust statt Abschottung
Per Mail oder Telefon nehmen potenzielle Tauschpartner Kontakt miteinander auf, regeln die Modalitäten. Und Menschen, die sich vorher nicht kennen, lernen viel übereinander: Welche Bücher gelesen werden, welche CDs im Schrank stehen, ob der Staub von Monaten unterm Sofa liegt oder ob alles steril gehalten wird. Ein Urlaub mit Charme und "der Möglichkeit, eine Idee davon zu bekommen, wie in einem fremden Land wirklich gelebt wird", wie Regina Dusi-Schütz sagt.
Selbst bezahlt werden müssen An- und Abreise sowie Verpflegung. Die Unterkunft ist kostenfrei - auch dann, wenn eine Familie das Glückslos greift und aus der deutschen Provinz für einige Wochen in eine Villa mit Meerblick nach Australien reisen darf. "Man staunt, was möglich ist. Oft wollen gerade Wohlhabende aus Übersee mal ins deutsche Nirwana, um das Leben dort authentisch zu begreifen", sagt Jürg Thalmann, Geschäftsführer von Haustauschferien.com.
Mitbringen müssten die Menschen in erster Linie Vertrauen und die Bereitschaft, sich zu öffnen, statt im Urlaub auf Abschottung zu setzen. Die Dusi-Schützes haben beides.
"Man hat normale Nachbarn, die immer da wohnen", schwärmt die 48-jährige Mutter Regina, die mit ihrem Mann, dem 19 Jahre alten Sohn und der 17-jährigen Tochter in der kleinen Gemeinde Marienheide nahe Köln lebt. Im Familienkreis beratschlagten die Vier - die Entscheidung fiel einstimmig. Des Abenteuers Haustausch wegen kommen auch die beiden Kinder noch einmal mit in den Familienurlaub.
"Man kann nur den Kopf schütteln"
Der Haustauschurlaub birgt jedoch juristische Fallstricke: Bei Streitigkeiten drohen große Probleme, weil die Tauschpartner keine Verträge abschließen. Die Urlauber gehen ein Risiko ohne Sicherheiten ein. "Solche Vereinbarungen sind eine Basis, bei der man als Jurist eigentlich nur den Kopf schütteln kann", sagt Ronald Schmid, Professor für Reiserecht an der Universität Dresden. "Das ist eine ganz heikle Geschichte."
Geld fließt beim Haustausch keines, das Webportal tritt nur als Reisevermittler auf - bei Diebstählen oder Schäden in einem der Häuser ist die Firma also außen vor und kann nicht belangt werden. "Ich weiß ja nicht mal, ob es denjenigen überhaupt gibt, mit dem ich in E-Mail-Verkehr stehe - oder ob der Name vorgeschoben ist", sagt Schmid. Er empfiehlt, zumindest die wichtigsten Details schriftlich festzuhalten. Dazu zählen Länge des Tauschs und Vereinbarungen zur Schlüsselübergabe.
Auf die Grundsätze des Reiserechts könnten sich Haustauscher bei Ärger nicht berufen - das findet laut Schmid nur bei Pauschalreisen oder Schüleraustausch Anwendung. "Falls etwas passiert, falls Dinge zerstört werden oder die Wohnung ausgeräumt wird, dann kommt es ganz entscheidend auf Beweise an." Wenn aber kein Vertrag bestehe, werde die Beweisführung überaus schwierig.
Jürg Thalmann gibt zu, dass sein Unternehmen bei Ärger "nur vermitteln" könne. Doch er wiegelt ab: "Wir haben 60.000 Haustausche pro Jahr. In den letzten fünf Jahren gab es drei bis vier ernsthafte Probleme.
Haus als Heiligtum
Die Lust aufs Abenteuer muss größer sein als die Angst vor Diebstahl, vor Zerstörung und dem Verlust der Privatsphäre. Die mangelnde Sicherheit ist für Ulrich Reinhardt, Tourismusforscher von der Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg, ein Argument dafür, dass Tauschurlaube in Deutschland kaum mehrheitsfähig werden dürften. "Das Haus wird bei uns als Heiligtum verstanden."
In der Tat findet der Trend hier nur langsam Anhänger. Nur knapp 500 der weltweit 40.000 Mitglieder von haustauschferien.com kommen aus Deutschland. Insgesamt gibt es hier rund 1000 Haustauscher.
"Die deutsche Gruppe der Tauschurlauber wird in den kommenden Jahren mit der immer stärkeren Bedeutung des Internets zwar noch anwachsen - allerdings in Maßen", glaubt Tourismusforscher Reinhardt. "Fast jeder stolze Hausbesitzer in Deutschland ist finanziell schon mal nicht darauf angewiesen", sagt er. Nachteil sei auch, dass Tauschurlauber schon Monate im Voraus in die Details der Urlaubsplanung einsteigen müssten. Als Motive blieben Reize wie Abenteuerlustigkeit - "die meisten aber verbinden mit Urlaub vor allem Ruhe und Entspannung".
Auch Thalmann hat inzwischen erkannt, dass "die Deutschen reservierter sind". Viele Amerikaner, aber auch Italiener und Spanier stünden dem Abenteuer offener gegenüber. "Da können sich die Deutschen noch ein bisschen was abschauen", meint er.
Michael Brehme, dpa