Nachwuchsfotograf Mateo Hamann Immer nach oben
Wenn andere starr geradeaus schauen, geht sein Blick empor. Der erst 17-jährige Fotograf Mateo Hamann zeigt Frankfurt am Main aus ungewöhnlichen Perspektiven. Das Talent hat er von seinem berühmten Vater.
Mateo Hamann, 17 Jahre alt, steht mitten in Frankfurt am Main und blickt durch den Sucher seiner Kamera. Mit einem 75-300-Millimeter-Objektiv forscht er die Fensterfassaden der beiden Türme der Deutschen Bank aus - nach Strukturen, Linien, Formen, Farbkontrasten, der perfekten Bildkomposition. "Du kannst hier immer wieder neue Dinge entdecken. Je nach Licht und Perspektive", sagt der junge Fotograf.
Unablässig spuckt das Gebäude im Erdgeschoss Menschen in dunklen Anzügen aus. Zielstrebig strömen sie durch die Häuserschluchten - hoch schaut niemand. "Die Leute hetzen oft durch ihre Stadt und bemerken gewisse Dinge einfach nicht", sagt Hamann, ehe sein Gesicht wieder hinter der Kamera verschwindet. Er liebt den Blick nach oben.
Seine Leidenschaft gilt vertikalen Welten, die ihn schon als Kind faszinierten. Aufgewachsen ist Hamann im hochstrebenden Manhattan. Sein Kindergarten lag dort im 100. Stockwerk eines Wolkenkratzers, die elterliche Wohnung im Schatten des World Trade Centers. Seit fünf Jahren nun lebt Familie Hamann nach einem Zwischenstopp in Maine in Frankfurt am Main.
Für eine deutsche Stadt fühle sich Frankfurt am Main ziemlich amerikanisch an, findet Hamann. "Beide Städte sind unglaublich aktiv und dynamisch, voller Kraft und Energie." Und verglichen mit New York bietet die fünftgrößte deutsche Stadt sogar viele Vorteile: Die Wolkenkratzer liegen meist relativ weit voneinander entfernt. So kann Hamann auf seinen Fotostreifzügen unzählige Blickwinkel und Perspektiven wählen. Die Gebäude immer wieder neu in Szene setzen. Das Ungesehene im Offensichtlichen entdecken. In New York sei das schwieriger, sagt der 17-Jährige.
Außergewöhnliche Perspektiven zu jeder Tageszeit
Während zu Beginn seiner Arbeiten noch die Gebäude selbst und deren Architektur im Fokus standen, konzentriert Hamann sich inzwischen immer mehr auf Details - die Spiegelungen und Reflexionen in den Fenstern etwa oder der Gegensatz von historischen und futuristischen Gebäuden, Seite an Seite. Er zeichnet fernab der abgegriffenen Skyline-Motive mit dem Tele-Zoom-Objektiv ein ganz eigenes Bild von Frankfurt am Main.
Auch wenn der Vergleich mit dem Werk seines Vaters Horst Hamann, der in den Neunzigerjahren mit seinen berühmten "New York Vertical"-Bildern Fotogeschichte schrieb, naheliegt - der junge Hamann besteht darauf, seinen eigenen Weg zu gehen: "Ich vergleiche meine Bilder nicht, verfolge nicht, was andere Fotografen machen. Ich plane nichts, nehme meine Kamera, setze mich auf mein Fahrrad und ziehe ohne Ziel los. So entdecke ich Frankfurt."
Den Messeturm fotografiert Hamann bei jeder seiner Sessions. Ansonsten legt er sich nicht fest. Auf die von Kollegen oft gepriesene "blaue Stunde" gibt er nicht allzu viel - jedes Licht und jede Tageszeit habe seine Reize. Findet er außergewöhnliche Perspektiven bei zu grellem Licht, prägt er sich den Ort genau ein und kehrt später zurück.
Auf seiner heutigen Tour will Hamann nun die Straßenseite wechseln. An der Ampel muss er lachen. "Die New Yorker stört eine rote Ampel nicht. Rot? Für sie ist das Grün." Die Deutschen seien viel korrekter. Er bleibt stehen. Wenige Minuten und einige Motive später blickt Hamann durch die Glasfront der Galerie F8 - diesmal auf seine eigenen Bilder. Sie sind Teil der Ausstellung "Manhattan meets Mainhattan", die noch bis zum 6. Juni zu sehen ist.
"Mateos Umgang mit Perspektive, Licht und Struktur fasziniert mich. Er schafft es, bekannten und abfotografierten Objekten ungesehene Perspektiven zu entlocken", sagt der Galerist Thomas von Salomon. Schon öfter hätten ihn Frankfurter Besucher gefragt: "Wo ist das denn? So habe ich es noch nie wahrgenommen."
Hamann überreicht Salomon ein Portfolio mit neuen Fotos. Wenig später steht der junge Fotograf auf der Dachterrasse der Skyline-Plaza. Der Blick von hier aus ist atemberaubend. Er schaut auf das Stadtbild, diesmal nicht durch den Kamerasucher. Immer noch strömen die Anzugsträger durch die Straßen. Doch sie sind nicht die Protagonisten in Hamanns Werk.
"Ich liebe das Pure und Organisierte, die Struktur und Ordnung. An den Hochhäusern hat alles seinen festen Platz, da ist diese Konstanz, Beständigkeit." Ein offensichtlicher Kontrast zu seinem bewegten Leben. "Ich bin schon so viel gereist. Jetzt möchte ich manche Momente einfrieren. Für immer."