Affären Heikler Auftrag
Die Deutsche Bank hat nicht nur Vorstände und Aufsichtsräte observiert. Selbst ein kritischer Aktionär wurde bespitzelt - mit allen Mitteln. Die Betroffenen sind bereits informiert. Das Kontrollgremium des Geldhauses soll nun zu einer weiteren Sondersitzung zusammenkommen.
Es war kein Hinweis und auch keine Bitte, die den Aufsichtsräten der Deutschen Bank vor einigen Wochen auf der Einladung zur nächsten Sitzung des Gremiums ins Auge fiel. Eigentlich war es eine plumpe Drohung, die ihnen Clemens Börsig, Chef des Gremiums, da untergejubelt hatte. Und es war ein Misstrauensbeweis.
Unter den Tagesordnungspunkten wies Börsig seine Kollegen ausdrücklich darauf hin, dass laut Aktiengesetz schon die Weitergabe von Informationen über den Termin der Sitzung strafbar sei. So viel Geheimniskrämerei war selten.
Mittlerweile haben sich die Damen und Herren an die juristische Floskel gewöhnt, denn so oft, wie seit Bekanntwerden der internen Datenaffäre, hat das Gremium seit vielen Jahren nicht mehr getagt: Ein knappes halbes Dutzend Mal kam allein der Prüfungsausschuss in den vergangenen sechs Wochen zusammen, mitunter gar sonntags. Zweimal tagte der gesamte Aufsichtsrat - ohne dass Aktionäre oder Öffentlichkeit etwas davon erfuhren. Und die nächste Sitzung ist schon avisiert - wenn auch noch nicht terminiert. Denn mittlerweile hat die von der Bank beauftragte Anwaltskanzlei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton intern ihren rund 150seitigen Abschlussbericht vorgelegt.
Demnach gab es einige wenige, dafür aber umso brisantere Bespitzelungsaktionen innerhalb der Spitze des Frankfurter Banken- und Branchenriesen. Das Geldhaus hat Vorstände und Aufsichtsräte observieren lassen - und zumindest in einem Fall sogar einen Aktionär.
Deutsche Bank vor Interessenskonflikt
Wie vorher schon Deutsche Telekom und Deutsche Bahn ist offenkundig auch die größte Bank der Republik bisweilen von Paranoia und Größenwahn zugleich befallen gewesen. In führenden Positionen des Instituts gab es Leute, die sich bei der Kontrolle von Freund und Feind nicht auf staatliche Ermittler verlassen wollten. Deshalb löste das Kreditinstitut seine teilweise echten, teilweise eingebildeten Sicherheitsprobleme mit Hilfe externer "Spezialisten" - die mitunter auf dubiose Methoden zurückgriffen.
Bankchef Josef Ackermann lässt die Affäre aufklären, doch die Bank muss dabei einen schweren Interessenkonflikt aushalten: Clemens Börsig, ihr eigener Aufsichtsratschef, hat die Vorfälle zumindest teilweise zu verantworten.
Schließlich war er vor seinem Wechsel in das Kontrollgremium Finanzvorstand des Instituts. Von 2001 bis Mai 2006 war ihm die Konzernsicherheit unterstellt, die nun im Zentrum der Affäre steht. In diese Zeit fiel der Großteil der jetzt aufgeflogenen Machenschaften.
Der hauptamtliche Ver.di-Funktionär Gerald Herrmann, der damals für die Gewerkschaft im Aufsichtsrat der Bank saß, stand 2001 im Verdacht, die Zahlen des dritten Quartals an die Nachrichtenagentur Reuters weitergegeben zu haben. Die Abteilung Konzernsicherheit ließ ihn daraufhin von externen Detekteien bespitzeln.
Zunächst hatte die Bank gegenüber den Kontrolleuren nur eingeräumt, dass lediglich Reisedaten wie etwa Hotelaufenthalte zwischen Herrmann und einem Reuters-Journalisten abgeglichen wurden. Mittlerweile ist jedoch klar, dass die Schnüffelaktionen in vielen Fällen deutlich weiter gingen.
Im Jahr 2006 wurde wieder ein eigener Aufsichtsrat ausspioniert, weil eine Nachrichtenagentur vor der Hauptversammlung vertrauliche Informationen publiziert hatte. Doch die externen Schnüffler waren offenbar nicht erfolgreich, eine Verbindung zwischen Aufsichtsrat und Journalist ließ sich jedenfalls nicht nachweisen.
Zudem gab es Nachforschungen gegen Vorstände der Bank, die eigentlich nur von Börsig oder Ackermann veranlasst werden konnten. Im Jahr 2006 erging der heikle Auftrag an die interne Sicherheitsabteilung, die Kontakte von Vorstandsmitgliedern zu dem Münchner Medienmanager Leo Kirch und dessen Umfeld zu überprüfen.
Gezielt nach persönlichen Schwächen gesucht
Der Auftrag sei schließlich bei der externen Detektei Bühner Private Risk Advisors gelandet, die im Umfeld der Zielpersonen recherchieren sollte. Deren Chef Bernd Bühner dementiert das. Er sei zu keinem Zeitpunkt beauftragt gewesen, Vorstände oder Aufsichtsräte der Bank auszuspionieren.
Hintergrund der Aktion war, dass Kirch in zahlreichen Prozessen gegen die Deutsche Bank vorgeht, weil er deren Ex-Vorstandssprecher Rolf Breuer für die Pleite seines eigenen Unternehmens verantwortlich macht. Kirchs Anwälte verfügten dabei gelegentlich über intime Kenntnisse aus den Frankfurter Glastürmen.
Zugleich aber ließ die Bank über externe Helfer einen kritischen Aktionär ausforschen, der in der Branche dem Kirch-Umfeld zugerechnet wird: Michael Bohndorf, einen auf Ibiza lebenden Rechtsanwalt. Die externen Schnüffler erstellten dabei nicht nur genaueste Bewegungsprotokolle, aus denen hervorging, wo sich der Betroffene mit wem getroffen hat.
Die "Ermittler" hatten noch eine ganz andere Mission: Gezielt recherchierten sie beispielsweise, ob Bohndorf persönliche Schwächen habe: Alkohol, Spielsucht, Frauen? Angeblich seien dazu auch weibliche Lockvögel eingesetzt worden, so berichtet ein Insider.
Bohndorf wird zwar von Bekannten eher als "mediterraner Lebenskünstler" beschrieben. Doch in der Sache ist er knallhart. So überzieht er die Hauptversammlungen der Deutschen Bank seit Jahren mit Dutzenden Fragen. Wenn die nicht beantwortet werden, verklagt er das Institut. Deshalb ist er für das Unternehmen nervig.
Bewährte Helfer aus der Szene
Bohndorf ist von der Bank über die Spähaktion bereits unterrichtet worden. Sie hat sich bei dem Aktionär wegen des Vorfalls entschuldigt. Bohndorf war für den SPIEGEL Ende vergangener Woche nicht erreichbar.
Die hessischen Datenschützer, die ebenfalls ermittelnde Finanzaufsicht BaFin und möglicherweise bald die Frankfurter Staatsanwaltschaft müssen nun prüfen, ob bei den Spähaktionen immer die Gesetze beachtet wurden.
In den internen Prüfberichten taucht zudem oft der Name von Bernd Bühner auf. Der war bis Ende 2003 deutscher Geschäftsführer der Londoner Sicherheitsfirma Control Risks. Wenn die Bank einen heiklen Auftrag zu vergeben hatte, war der ehemalige Generalstabsoffizier aus dem Hauptquartier der Nato in Brüssel meist ihr erster Ansprechpartner.
Die lukrative Geschäftsbeziehung begann bereits 1997, als die Deutsche Bank in London verschiedene Sicherheitsfirmen zu einer Art Casting antreten ließ. Die Leute von Control Risks machten damals den besten Eindruck. Als der Top-Investmentbanker Edson Mitchell mit seinem privaten Flugzeug im US-Bundesstaat Maine abstürzte, wurden die Control-Risks-Leute in Marsch gesetzt. Sie bewährten sich als Kontaktpersonen zur US-Polizei.
Auch für die jährliche Risikoanalyse war die Firma zuständig. Control Risks sollte das Risiko für Terroranschläge, Attentate oder sonstige Bedrohungen bewerten und Vorschläge zur Prävention machen. Dabei hatten die externen Sicherheitsleute regelmäßig Kontakt zum Frankfurter Polizeipräsidium und Zugriff auf polizeiliche Informationen.
GPS-Sender am Porsche Cayenne
Als Bühner sich mit seiner Firma Bühner Private Risk Advisors selbständig machte, nahm er den Kunden, die Deutsche Bank, einfach mit. Er hatte da längst einen exzellenten Kontakt aufgebaut zu Claus-Werner Bertram, dem damaligen Leiter der Konzernsicherheit.
Um die Sicherheitssysteme des Kreditinstituts zu überprüfen, organisierte Bühner auch sogenannte Penetrationstests. Er beauftragte die Desa, eine von Ex-Stasi-Leuten aus der Abteilung Spionageabwehr gegründete Berliner Detektei, beispielsweise in den Handelssaal oder in die schwergesicherte Tiefgarage des Instituts zu kommen. Fast immer hatten die Spezialisten mit ihren Aktionen Erfolg.
So gelang es ihnen unter anderem, am Zweitauto des Deutsche-Bank-Vorstands Hermann-Josef Lamberti, einem Porsche Cayenne, einen GPS-Peilsender anzubringen. Der Sender war nicht aktiviert, heißt es. Die anschließende Beschattung des Fahrzeugs sei nur erfolgt, um die Sicherheitsmängel aufzudecken.
Die Sicherheitsberater aus Berlin sagen, dass die Desa bei der Deutschen Bank "zu keinem Zeitpunkt an 'Ausspähaktionen' oder illegalen Datenbeschaffungen und Erhebungen zu Personendaten beteiligt war oder darüber Kenntnisse hatte".
Immerhin: Bei der Deutschen Telekom haben die Desa-Leute bewiesen, dass sie vielseitig eingesetzt werden können. Die Desa erhielt 2000 von Control Risks den Auftrag, einen unliebsamen Journalisten zu beschatten. "Das war klassische Observation und nicht illegal", sagte Desa-Chef Klaus-Dieter Baier, als die Aktion aufflog.
Viele Aufsichtsräte der Deutschen Bank haben nach den Berichten in den jüngsten Sondersitzungen keinen Zweifel mehr, dass es bei den Ausspähungen zu Gesetzesübertretungen gekommen ist. Und dabei fürchten sie vor allem die Konsequenzen im Fall Michael Bohndorf. Denn dass der streitbare Aktionär nicht davor zurückschreckt, das Unternehmen zu verklagen - das hat er in der Vergangenheit eindrucksvoll unter Beweis gestellt.