Afghanistan Das Gesicht des Feindes
Die Mörder der drei Bundeswehrsoldaten waren mit modernsten Waffen ausgerüstet und erhielten Hilfe von internationalen Terror-Netzwerken.
Die Kinder stehen ganz selbstverständlich dabei, sie sind zehn, zwölf Jahre alt und tragen die traditionellen, leuchtend weißen Hemden. Sie stehen hier, weil sie Muslime sind, weil sie Usbeken sind und weil sie die Männer im Zentrum des Bildes bewundern: Auch sie wollen später einmal Kämpfer werden.
Es ist eine Art Gipfeltreffen, das am 11. Juli vergangenen Jahres im Hof ihrer Koranschule stattfindet, im Dorf von Aynul Majer westlich von Kunduz, im berüchtigten Distrikt Chahar Darreh. In dem Dorf leben fast nur usbekischstämmige Afghanen. Und um Punkt 18 Uhr treffen sich hier, an diesem warmen Sommerabend, die späteren Mörder des Hauptfeldwebels Nils Bruns, 35, des Stabsgefreiten Robert Hartert, 25, und des Hauptgefreiten Martin Augustyniak, 28 - jener drei Bundeswehrsoldaten, die Karfreitag in einem Hinterhalt nahe dem Dorf Isa Khel bei Kunduz getötet wurden.
Es ist ein Fototermin. Die Terrorführer der Kunduz-Region stellen sich dafür in einer Reihe auf, vor Dutzenden Vermummten und martialisch aufgerüsteten Kämpfern. Es sollen Propagandabilder werden, Dokumente ihrer neuen Stärke, sie wollen zeigen, dass man vor ihnen Angst haben muss.
Das Bild geht später an Zeitungen und Agenturen, es wird gedruckt und erfüllt den gewünschten Zweck, aber heute erzählt es noch eine ganz andere Geschichte: Es verrät das Gesicht des Feindes der Deutschen in Kunduz.
Dieser Feind trägt nicht das übliche Gesicht der Taliban, die - landesweit - zumeist Paschtunen sind. Die Kämpfer von Chahar Darreh werden unterstützt und trainiert von nichtafghanischen Gotteskämpfern aus den ehemaligen Sowjetrepubliken mit bester militärischer Ausbildung und modernster Bewaffnung.
Es sind vor allem Extremisten aus dem Nachbarland Usbekistan, einige kommen aber auch aus Tadschikistan und Tschetschenien. Es sind ausgebildete Profikiller. Sie gehören zum Netzwerk der in ganz Zentralasien gefürchteten Islamischen Bewegung Usbekistan und werden von Osama Bin Ladens Qaida unterstützt.
Etwa in der Mitte des Fotos steht ein Mann, der sich Maulawi Ahmed nennt. Es ist sein Kampfname, eigentlich heißt er Asadullah und stammt aus der Region um Kanam. Ahmed hat braunes, kurzes Haar und Geheimratsecken. Der 35-Jährige ist der neue Milizen-Chef in Kunduz, er beerbte den Schatten-Gouverneur der Taliban, Mullah Salam, der im Februar in Pakistan verhaftet wurde. Salam wird für fast alle tödlichen Anschläge der vergangenen Jahre gegen die Bundeswehr verantwortlich gemacht. Ahmed war sein treuer Stellvertreter.
Der Taliban-Führer hält sich ein Tuch vor Mund und Nase, er will auf Fotos nicht erkannt werden, die Geheimdienste sind hinter ihm her. Auf dem Bild als Vierter rechts von ihm steht der prominente Taliban-Kommandeur Shamsuddin aus Chahar Darreh, in der Hand hält er ein Handy.
Links von Ahmed ist ein vollständig vermummter Kämpfer, der seinen Munitionsgürtel über der Schulter trägt. Alle Anwesenden dürften wissen, wer der geheimnisvolle Krieger ist: der höchste Usbeken-Kommandeur für die Region. Er führt die ausländischen Kämpfer, er vermittelt den lokalen Truppen das fehlende militärische Know-how, liefert Geld und Waffen.
Seine Soldaten tragen kurzläufige Kalaschnikows mit modernen Plastikmagazinen, wie sie normalerweise nur Spezialkräfte nutzen. Ihre Panzerfäuste sind, anders als die Waffen, mit denen sonst in Afghanistan geschossen wird, noch vergleichsweise neu. Erst seit gut zehn Jahren ist etwa die Aerosolgranate TBG-7V auf dem Markt, die dem Gegner nach der Explosion die Lunge zerreißt.
- 1. Teil: Das Gesicht des Feindes
- 2. Teil: Moderne Waffen aus Armeebeständen - und Geld spielt keine Rolle