Yoga Im Namen des Meisters
Der Amerikaner Bikram Choudhury, geboren in Indien, ist der erfolgreichste Guru der Welt. Seine Methoden sind umstritten, doch seine Anhängerschaft wächst täglich - für Millionen Stressgeplagte und Kranke gilt er als Erlöser.
Seid willkommen", ruft der Guru seinen Jüngern vom Thron zu, "willkommen in Bikrams Folterkammer! Ich bin der heilige Yogi, halb Jesus, halb Elvis."
Er zeigt auf eine Frau zu seiner Linken. "Hey, du da, Miss Tattoo, wenn ich für einen Tag Präsident der USA wäre, würde ich Tätowierungen verbieten lassen, ich würde dich verbieten lassen... oh, hier ist eine Luft drin, als würden tausend Affen vögeln, wunderbar... hey, Miss Big Boobs, zieh dir morgen bloß etwas anderes an, bitte, ich hab Angst, dass deine Möpse rausfallen... nun geht's weiter, die nächste Übung", sagt der Meister, er singt in sein Headset: "Killing me softly..."
Es folgt Stellung vier, die Adler-Haltung, Garurasana heißt sie auf Sanskrit, in der Sprache der klassischen indischen Kultur, der Sprache des Yoga, und 429 halbnackte Menschen verschlingen auf des Meisters Kommando hin Arme und Beine miteinander, bis ihr Körper aussieht wie eine Brezel.
So verwrungen balancieren sie auf einem Bein, Schweiß tropft auf den Boden, vom Kinn, von den Ellenbogen, den Knien; 105 Grad Fahrenheit heiß ist es im Ballroom des Radisson-Hotels in Los Angeles, das sind 40,6 Grad Celsius, dazu herrschen 40 Prozent Luftfeuchtigkeit, es fühlt sich an wie in den Tropen.
Die Adler-Haltung soll gut sein gegen Stress, flexible Hüften machen und im Rücken den Latissimus Dorsi stärken, aber das ist noch nicht alles, nicht beim Meister.
"Seeeehr gut für Sex, Schaka-Schaka", sagt Bikram Choudhury, "du kannst stundenlang Liebe machen und hast sieben Orgasmen nacheinander. Noch mit 90." Er klatscht in die Hände. "Hey, du, Miss Teeny-Weeny-Bikini, schön locker bleiben, nicht verkrampfen."
Er sitzt im Schneidersitz, in einem weißen Sessel aus Leder, der auf einem zwei Meter hohen Podest steht; Choudhury nennt sich selbst nur Bikram; er ist eine Marke, soll das heißen, und ein Mann, der für jeden da ist. Einer, der seine Rolle gefunden hat: Bikram ist ein Entertainer, ein Verrückter auch, ein Evangelist der Einheit von Leib und Seele.
Bikram trägt eine schwarze Badehose, ein schwarzes Stirnband und eine mit Brillanten und Rubinen besetzte Uhr von Franck Muller. Sonst nichts. Die langen Haare hat er zum Zopf gebunden wie ein Samurai, breites Kreuz, dünne Waden, kaum Fett, reine Haut. Er ist 65, sieht aber aus wie 52, maximal.
Er erzählt irgendwas über seine Mutter, "Mama war Hitler Nummer zwei", dann davon, dass der Körper beim Adler kompakt sein müsse wie ein Honda Civic. Und schließlich: "Am Ende dieses Seminars fahrt ihr nach Hause, rettet die Welt und verdient viel Geld - das ist mein Befehl."
So macht er selbst es ja auch. Bikram, geboren 1946 in Kalkutta, inzwischen amerikanischer Staatsbürger, ist der erfolgreichste Yoga-Guru der Welt. Er hat Yoga globalisiert und kommerzialisiert, er regiert ein wachsendes Imperium, 549 Bikram-Studios gibt es zurzeit auf der Welt, in New York, Johannesburg und Bogotá, in Hamburg, Peking und Sydney. Bikram-Yoga verbreitet sich wie ein Virus, der Meister hat Millionen Anhänger, und täglich werden es mehr.