Peter Spitzbart,
49, aus Bergisch Gladbach leidet an Amyotropher Lateralsklerose (ALS), einer tödlichen Nervenkrankheit. Viele Prominente haben zuletzt Videos online gestellt, in denen sie sich Eiswasser über den Kopf schütten - mit der "Ice Bucket Challenge" wollen sie auf ALS aufmerksam machen.
Ich habe durch die Zeitung von der Aktion erfahren, darin war ein Bild vom pitschnassen Bill Gates gedruckt. Heute bin ich auf das Video mit Helene Fischer gestoßen, die hat das sehr öffentlichkeitswirksam gemacht. Ich sehe es pragmatisch: Nicht der Clip ist entscheidend, sondern die Botschaft dahinter. Die Prominenten lenken die Aufmerksamkeit auf eine kaum bekannte Krankheit, es kommen dringend benötigte Spenden zusammen, und wer die Bilder sieht, fragt sich jetzt: Was ist das überhaupt, ALS?
Bis Anfang 2013 wusste ich es selbst nicht. Alles begann damit, dass ich die Kraft in meinem rechten Arm verlor, schon eine Wasserflasche war mir zu schwer. Die Ärzte gingen davon aus, dass die entsprechenden Nerven durch meinen Bandscheibenvorfall beeinträchtigt waren. Aber dann fing es auch auf der linken Seite an, ich konnte mit den Fingern nicht mehr richtig auf der Tastatur tippen. Im Mai 2013 bekam ich die Diagnose ALS - und fühlte mich, als hätte mir tatsächlich jemand Eiswasser über den Kopf gekippt. Die Lebenserwartung liegt beim Großteil der Betroffenen zwischen zwei und drei Jahren. Ich merke, wie die Krankheit in mir wächst und wie mein Körper zunehmend gefriert. Meine Tage bestehen überwiegend aus Physio-, Ergo-, Atem- und Psychotherapie, aus Schriftwechseln mit der Krankenkasse und der Rentenversicherung. Meine Frau hilft mir sehr und auch meine zehnjährige Tochter. Sie erlebt jeden Tag, dass ich Dinge nicht mehr allein schaffe, die vor einigen Monaten noch geklappt haben. Rasieren, Hemd zuknöpfen, abtrocknen - egal, was ich tue, die Krankheit ist da. Deshalb versuche ich, einzelne Momente bewusster zu erleben. Vorige Woche zum Beispiel hatte meine Tochter ihren ersten Tag auf der weiterführenden Schule. Alle Fünftklässler standen vor dem Gebäude, in den Händen Luftballons, die sie auf Kommando steigen ließen. Meine Tochter, die bunten Ballons im blauen Himmel - das Bild bleibt.
Ich weiß nicht genau, wie ich mir meine Zukunft vorstelle. Es wird mir gut gehen, wenn ich mit meiner inneren Kraft auffangen kann, was ich an körperlicher verliere. Aber ich weiß auch, dass der Moment kommt, an dem ich die Luftballons nicht mehr wahrnehmen kann. Also rechne ich nicht in verbleibenden Jahren. Sondern in Augenblicken.