Nach einem Wahlsieg im Herbst könnte eine rot-grüne Koalition eine neue Kursgewinnsteuer einführen - wie in den Vereinigten Staaten.
Spekulationsgewinne sollen versteuert werden, fordert Rudolf Dreßler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD. Es sei einfach "ungerecht", wenn Kranke 500 Millionen Mark für Arzneien zuzahlen müßten und zugleich Milliarden durch Aktienvermögen verdient würden.
Jungsozialisten und Gewerkschafter unterstützen die Idee. Das sei eine grundsätzliche Frage, meint DGB-Chef Dieter Schulte, "die angegangen werden muß".
Die Möchtegern-Koalitionspartner sehen das genauso. Tom Koenigs, finanzpolitischer Vordenker der Grünen, will das "Produktivvermögen" in Arbeitnehmerhand zwar fördern. Doch Einnahmen aus Aktien, Optionen oder Fonds möchte er voll versteuern, "wenn diese verkauft werden". So seine jüngsten "Leitsätze für eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft".
Etliche Unionsabgeordnete werden wohl zustimmen, denn die Kursgewinnsteuer ist eine ureigenste Erfindung der Union. Eine vom Finanzminister beauftragte Expertenkommission unter Leitung des Ökonomen Hans-Peter Bareis hatte die Steuerlücke 1994 entdeckt. Ein entsprechender Antrag zur Einführung der Steuer wurde auf dem CDU-Parteitag in Hannover 1996 mit großer Mehrheit beschlossen.
Der Rentier, der sein Leben aus Vermögensgewinnen finanziert, so begründete damals CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble, solle genauso zahlen wie ein Arbeitnehmer. Schließlich würden auch in den angelsächsischen Ländern die Aktiengewinne besteuert.
Die Briten etwa müssen Kursgewinne ihrem Einkommen zurechnen, dadurch wird die Progression verschärft. Der höchste Steuersatz liegt bei 40 Prozent. Allerdings gibt es hohe Freibeträge von umgerechnet rund 20 000 Mark, zum Schutz der Kleinaktionäre.
Das amerikanische Steuersystem ist komplizierter. Wer Kapitalgewinne innerhalb eines Jahres erwirtschaftet, wird mit der üblichen Einkommensteuer - bis zu knapp 40 Prozent - besteuert. Nach dieser Frist galt bisher ein fester Steuersatz von 28 Prozent auf alle Aktiengewinne, der jetzt auf 20 Prozent gesenkt wird.
Daneben gelten Sonderregelungen, so wird für Kleinverdiener der Steuersatz reduziert. Kursverluste dürfen mit Gewinnen verrechnet werden. Ein Inflationsausgleich soll vor der Besteuerung von Scheingewinnen schützen.
Vor allem Banker und Börsianer attackierten hierzulande die Pläne. Das Kapital reagiere auf Steuern "äußerst sensibel", sagte Rolf-Ernst Breuer von der Deutschen Bank. Die Anleger könnten ihre Ersparnisse wie schon bei der Einführung der Zinsabschlagsteuer ins Ausland schleppen, der Finanzplatz wie die gesamte Volkswirtschaft werde geschwächt.
Werner Seifert von der Deutschen Börse fürchtet, die Kurse könnten wegbrechen. Die Akzeptanz der Aktie, schrieb der Börsenchef in einem Brief an den Finanzminister, werde "nachhaltig erschüttert".
Doch die Befürchtungen sind möglicherweise unbegründet. Schon die bisherige Spekulationsteuer, die nur auf Kursgewinne erhoben wird, die innerhalb von sechs Monaten realisiert werden, hat den deutschen Börsenboom nicht behindert.
Eine umfassende Kontrolle durch die Finanzämter ist ohnehin unmöglich. Bisher schon werden deutsche Steuersünder, wenn sie die Spekulationsfrist nicht beachten, allenfalls zufällig entdeckt. Die Angaben muß der Aktionär selbst machen. Die Banken verschicken keine Kontrollmitteilungen.