Angefressener BVB-Coach Klopp knöpft sich Kritiker vor
Borussia Dortmund ist Tabellenzweiter, nur drei Punkte hinter den Bayern. Der Deutsche Meister könnte zufrieden sein, doch Jürgen Klopp ist sauer. Nach dem Sieg gegen Köln wütete der BVB-Coach gegen die Kritiker seines Teams. Doch die Attacken wirken kalkuliert.
Jürgen Klopps Gesicht verfinsterte sich. Der als charmant geltende Coach von Borussia Dortmund lehnte sich ein wenig nach vorne und begann zu poltern, gerade so, als habe sein Team eine herbe Niederlage eingesteckt. Dabei war es genau andersherum, der BVB deklassierte am Samstag den 1. FC Köln 5:0.
Klopp sagte im Anschluss an die offizielle Pressekonferenz: "Ich habe zu eurem Schutz in den vergangenen Tagen keine Zeitungen gelesen. Einfach um den Respekt vor den Journalisten nicht zu verlieren, mit denen ich noch lange zusammenarbeiten muss." Klopp, der gerne zu spitzen Bemerkungen aufgelegt ist, ließ am Samstag seine gewohnte Lockerheit vermissen.
Der Trainer, dem nach dem Sieg über Köln in erster Linie Fragen zu den Leistungsschwankungen des BVB zwischen Champions League und Bundesliga gestellt wurden, manövrierte sich beinahe durchweg mit Ein-Wort-Antworten durch kritische Fragen: War Olympiakos Piräus so viel stärker als die Kölner? "Nein." Hatten Sie Sorge, dass die Niederlage in der Königsklasse Auswirkungen auf die Bundesliga haben wird? "Nein." Haben die BVB-Spieler ein Kopfproblem? "Nein." Kurze Pause. "Wenn einer den Charakter der Mannschaft in Frage stellt, dann hat er nicht alle Latten am Zaun."
Klopp versucht abzulenken
Obwohl dies zuvor niemand tat, begann Klopp sein Team als "blitzsauber, einwandfrei, absolut top" zu charakterisieren. Er kritisierte lediglich einige "Kinderkrankheiten", etwa den Wunsch, brenzlige Spielsituationen spielerisch klären zu wollen. Klopp sprach schnell und nachdrücklich. Das ist ein Verhalten, das der 44-Jährige bislang eher selten zeigte. Während er in der vergangenen Saison beinahe jede Frage nach einem möglichen Gewinn der Meisterschaft souverän und mit einem müden Lächeln abmoderierte, häufen sich in dieser Spielzeit die Kritik an seinem Team und damit auch die verbalen Attacken des BVB-Trainers.
Als Mario Götze am vierten Spieltag in Leverkusen die Rote Karte sah, keifte Klopp während eines Fernsehinterviews in Richtung des Moderators: "Verdammte Scheiße, jetzt lass mich doch mal ausreden." Nach der 0:3-Niederlage in der Champions League in Marseille sinnierte er über mögliche Zeitungsschlagzeilen wie "Borussen nicht abgeklärt genug für Europa" oder "Naive Dortmunder", nur um dann zu sagen: "Ihr könnt gerne solchen Scheiß schreiben. Aber er stimmt nicht."
Wer will, kann diese Aussagen mit fehlender Routine oder zu hohem Druck erklären. Realistischer ist es aber, darin nur einen weiteren Schachzug des ehemaligen Mainzer Trainers zu sehen. Klopp versucht mit seinen Auftritten von den Unzulänglichkeiten seiner Mannschaft abzulenken. Er wäre damit nicht der erste, der sich einer solchen Strategie bedient: Wolfsburgs Trainer Felix Magath liefert den Medien häufig kleine Skandälchen, um die Mannschaft aus der Schusslinie zu nehmen.
Manchmal lässt er dafür Spieler alleine am Kanal laufen, manchmal lässt er in besonders harschen Kritikphasen vermeintliche Transfergerüchte streuen. Uli Hoeneß praktiziert diese Strategie sogar als Präsident des FC Bayern München und versuchte auch am Sonntag wieder von der Niederlage seines Clubs abzulenken.
Ein paar ruhige Tage
Für Klopp ist dies jedoch ein neuer Wesenszug. Durch seine Ablenkungstaktik gelang es ihm, kaum Fragen zur weiter anhaltenden Müdigkeit von Spielern wie dem hoch gepriesenen Ilkay Gündogan oder Shinji Kagawa beantworten zu müssen. Auch nach dem nachdrücklichen Wechselwunsch von Jakub Blaszczykowski oder der erneuten Verletzung von Lucas Barrios wurde Klopp nicht gefragt. Aber vor allem musste er sich nicht dazu äußern, dass Dortmund nun schon wieder auf dem zweiten Platz steht, mit nur drei Punkten Rückstand auf den FC Bayern.
So hat Klopp ein paar Tage gewonnen, in denen er in Ruhe mit seiner Mannschaft und nicht mit dem neuen "Bayern-Jäger" arbeiten darf. Und in denen er weiter an seinen Wut-Reden feilen kann. Denn als ein Reporter einer Dortmunder Regionalzeitung, der zuvor in zahlreichen Artikeln die Leistung von Moritz Leitner herausgehoben hatte, Klopp fragte, warum Leitner nicht in der ersten Elf stand, antwortete Klopp: "Weil ihr ihn reinschreiben wolltet." Zumindest eine Zeitung hat der BVB-Coach also in den vergangenen Tagen gelesen.