Augsburg-Pleite gegen Bayern Gewehrt wie ein Meister
Das Wunder gegen den großen FC Bayern fand nicht statt. Der FC Augsburg hat verloren und dennoch gepunktet - bei den eigenen Fans. Nach schwachem Start zeigte der Aufsteiger, was er kann: mit viel Herz und Kampfgeist begeistern.
Jahrelang war Mohamed Amsif dritter Torwart bei Schalke 04. Dort hatte er reichlich Gelegenheit, das Können von Nationaltorhüter Manuel Neuer aus nächster Nähe zu bestaunen. Mittlerweile ist Amsif Ersatzkeeper beim FC Augsburg - und absolvierte am Sonntag ausgerechnet gegen die Bayern mit Neuer im Tor sein allererstes Bundesliga-Spiel.
Nach der Begegnung klopfte Manuel Neuer ihm höchstpersönlich anerkennend auf die Schulter. Und Amsif schien erleichtert, dass sein Team statt der befürchteten Klatsche nur 1:2 verloren, bis zum Schluss auf den Ausgleich gedrängt hatte und dafür im Anschluss ein Lob von Bayern-Trainer Jupp Heynckes bekam: "Der FCA hat phantastisch gekämpft und zum Teil auch Fußball gespielt."
Heynckes hat noch ein paar sehr anständige Worte für die Augsburger übrig. Darüber zum Beispiel, dass man jeden Gegner ernst nehmen müsse, "auch den 18. der Tabelle". Und dass man selbst als Bundesliga-Schlusslicht zur Elite des deutschen Fußballs zähle.
Manager Andreas Rettig und Trainer Jos Luhukay sind bei diesen Worten gefühlte zehn Zentimeter größer geworden. Der Spott der vergangenen Tage hat wehgetan, all die Vergleiche zwischen dem kleinen Club aus Bayerisch-Schwaben und den Giganten aus dem nur 60 Kilometer entfernten München klangen plötzlich nicht mehr nach "David gegen Goliath", sondern zuweilen fast schon ein wenig gehässig. Als stecke ein Vorwurf darin, dass sich dieser Club, der nicht einmal das Geld für anständige Verstärkungen hat, erdreistet, bei den Münchens, Schalkes und Dortmunds mitmischen zu wollen.
Dabei kann der FC Augsburg seinen Anhängern ernsthaft nichts versprechen - außer, dass man mit aller Macht versuchen wird, mitzuhalten. Auch bei der Konkurrenz in Freiburg oder Kaiserslautern - alle drei Clubs behaupten von sich, den kleinsten Etat der Liga zu haben - ist das nicht anders. Man lässt den Trainer in Ruhe arbeiten und überlässt den Aktionismus der reicheren Konkurrenz. Auch in der Pfalz und in Baden akzeptieren die Fans das. Vorausgesetzt, sie haben den Eindruck, dass ihr Team alles gibt, was es kann. Und sei das auch noch so wenig.
So präsentierte sich auch der FCA am Sonntag. Engagiert und bissig in den Zweikämpfen erinnerte er gegen die selbstbewussten Bayern anfangs bei allem guten Willen dennoch an ein hektisches Insekt, das so lange um einen Elefanten herumkreist, bis es dem zu viel wird und den Plagegeist mit einem Schlag erledigt. Beim Stand von 0:2 ging es in die Pause, und keiner traute dem wackeren Gastgeber noch irgendetwas zu.
Doch plötzlich, nach knapp einer Stunde, bebte das Stadion und der Puppenkisten-Jingle von der "Insel mit zwei Bergen" dröhnte aus den Boxen. Soeben hatte Hajime Hosogai den Anschlusstreffer mit einem Gewaltschuss aus spitzem Winkel erzielt (59.). Plötzlich war die Kulisse da, alle vier Tribünenseiten brüllten ihr Team nach vorne. Und als Heynckes später die "tolle Atmosphäre" lobte, war das keine Floskel. Vielmehr wächst in Augsburg langsam aber sicher etwas heran, das man eine erstligareife Fanbasis nennen könnte. Man sieht seit einigen Monaten in der Stadt auch außerhalb der Spieltage FCA-Flaggen an den Fenstern hängen, die ersten Fans reisen bereits mit Fernzügen an. Und immer mehr Sympathisanten tragen zum Stadionbesuch vorschriftsmäßig Fantrikot und Schal.
FCA-Trainer Luhukay: "Die Möglichkeiten sind gering"
Wo die Bayern-Fans nach dem Spiel einen Routinesieg quittierten oder wahlweise haderten, dass man den FCA nicht höher abgeschossen habe, waren die Augsburger trotz der Niederlage nahezu beseelt. Ihr Team hatte sich als ernstzunehmender Gegner erwiesen, hatte nach der erwartet hilflosen ersten Halbzeit noch den Anschlusstreffer geschafft und Manuel Neuer in Gestalt von Edmond Kapllani zu einem Reflex genötigt (82.), der den Gästetrainer tief durchatmen ließ: "Das war eine Großchance, die Manuel in Weltklassemanier vereitelt hat."
Fans von Vereinen mit einem Trophäenschrank auf der Geschäftsstelle mögen das merkwürdig finden - aber in und um Augsburg herum sind sie derzeit glücklich, wenn ihr Team sich wehrt, in Ehren verliert und unter Umständen mit Anstand wieder absteigt.
Auch im Winter werden wohl nicht die Verstärkungen kommen, die das Team braucht, um konkurrenzfähig zu sein. "Die Möglichkeiten sind gering", rief Luhukay am Sonntag erneut in Erinnerung. Der wackere Niederländer hofft stattdessen auf die Rückkehr von ein paar Langzeitverletzten, "um in der Breite stärker zu werden".
Luhukay hat aber noch einen Satz gesagt: "Wir stehen auf einer Position, die wir nicht gerne annehmen wollen. Dagegen wehren wir uns." In Augsburg erwarten sie, dass ihre Mannschaft sich wehrt. Nicht weniger. Aber eben auch nicht mehr.
FC Augsburg - Bayern München 1:2 (0:2)
0:1 Gomez (16.)
0:2 Ribéry (28.)
1:2 Hosogai (59.)
Augsburg: Amsif - Reinhardt, Callsen-Bracker, Sebastian Langkamp, Verhaegh - Hosogai - Brinkmann (59. Gogia), Davids (80. Rafael) - Baier, Werner - Mölders (75. Kapllani)
München: Neuer - Rafinha (68. Luiz Gustavo), van Buyten, Badstuber, Lahm - Timoschtschuk, Alaba - Thomas Müller, Toni Kroos (89. Contento), Ribéry (90.+1 Pranjic) - Gomez
Schiedsrichter: Zwayer
Zuschauer: 30.660 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Reinhardt (2) - Rafinha (3), Ribéry (2)
Rote Karte: Timoschtschuk (90.+3, München) wegen groben Foulspiels