Bayern Münchens Trainernachfolge Die Charmebolzer
Über Monate hat der FC Bayern Jupp Heynckes umgarnt, um den Trainer doch zu halten. Doch der war von den Diskussionen genervt. Jetzt atmet er auf, endlich steht die Champions League im Mittelpunkt.
Für Jupp Heynckes sind Tage ohne Fußball schwer zu ertragen. Das hat nicht nur damit zu tun, dass der 72-Jährige diesen Sport noch immer liebt, sondern auch mit seiner Situation in München. Als Bayern-Trainer muss Heynckes auch dann immer wieder Fragen beantworten, wenn nicht gespielt wird. Und meist geht es dann um ihn. Und um seine Zukunft.
Am Montag saß Heynckes nach überstandener Grippe bei der Pressekonferenz vor der Partie seiner Münchner in der K.-o.-Phase der Champions League gegen den Besiktas Jimnastik Kulübü (20.45 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE), er fühlte sich sichtlich wohl. Mehrmals lachte Heynckes laut auf, einmal entfuhr ihm eher unabsichtlich das Wort "geil", mit Freude beantwortete er die Fragen der Journalisten. Endlich ging es wieder um wichtigen Fußball.
Denn die vergangenen Monate haben Heynckes zugesetzt, sie haben ihn genervt, auch wenn er nicht der Mensch ist, der sich so etwas anmerken lassen will. Ihn störte die Diskussion, die ihm sein langjähriger Freund, Bayerns Präsident Uli Hoeneß, eingebrockt hatte. Dann saß ein anderer Heynckes in den Pressekonferenzen, einer, der seine Hände knetete, den Kopf schüttelte und sagte, dass seine Entscheidung doch feststehe. Für ihn sei zum Saisonende Schluss, basta.
Doch Hoeneß wollte das nicht akzeptieren, er wollte den Mann weiter halten, der den legendären Triple-Erfolg 2013 verantwortete. Einerseits verständlich, rennt der Klub dem Champions-League-Sieg seitdem doch vergeblich hinterher. Andererseits wusste Hoeneß, wie unangenehm Heynckes das Thema war - und ließ dennoch nicht locker.
Es begann Ende November, bei der Jahreshauptversammlung der Bayern. Nicht vor dem großen Publikum, später erst, in kleiner Runde vor Journalisten. "Das ist möglich, das halte ich nicht für ausgeschlossen", sagte Hoeneß auf die Frage, ob Heynckes vielleicht länger bleibt als nur bis zum Saisonende. Einen Tag später verlor die Mannschaft in Mönchengladbach 1:2 und Heynckes sagte zu den Gedankenspielen des Präsidenten: "Das ist ausgeschlossen."
Hoeneß legte trotzdem nach. Am 16. Dezember ließ er beim Besuch des Fanklubs Schießamer Red-White Dynamite über eine Heynckes-Verlängerung abstimmen, und zählte stolz: 300:0 Stimmen. "Ich werde es dem Jupp mitteilen", rief er ins Mikrofon.
Nach der Winterpause sprangen andere auf. Der Ex-Sportdirektor der Bayern, Matthias Sammer, begann zu mutmaßen, dass Heynckes tatsächlich länger bleiben könnte - sonst würde sich Hoeneß doch gar nicht so äußern. Am 14. Januar gab Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zu Protokoll: Bei ihm müsse man "auch ein Stück diese Geduld haben. Man muss den Jupp, ohne ihn zu drängen, mit der notwendigen Eleganz begleiten". So klingt beim FC Bayern eine Charmeoffensive.
Der Nachfolger darf sich als Plan B fühlen
29. Januar, Düsseldorf: "Jupp soll die Übergangsphase von den älteren zu den jungen Spielern schaffen", sagte Hoeneß beim Ständehaus-Treff, einer Vortragsreihe der "Rheinischen Post". Der Trainer solle ein Jahr dranhängen. Er gab allerdings zu, dass die Chancen, Heynckes umzustimmen, wohl nur bei etwa zehn Prozent lägen. Dennoch: "Es gibt keinen Plan B."
Das ist das eigentlich Überraschende an Hoeneß' Vorgehen: Dass er, der seit bald 40 Jahren Manager des FC Bayern ist, herausposaunt, für eine mit 90 Prozent Wahrscheinlichkeit eintretende Absage keine Alternative zu haben. Entweder wollte er die Massen bewegen und Heynckes so erweichen. Oder es handelte sich von vornherein um ein reines Ablenkungsmanöver, weil ihm ein zwischenzeitlicher Plan B abhandengekommen ist - oder, weil in Wahrheit die Nachfolge schon feststeht.
Fraglich, ob es das wert war. Der offensichtlich genervte Heynckes wurde zum Spielball des Hoeneßschen Kalküls, und dem Trainer war anzumerken, wie sehr ihm das missfiel. Es scheint so, als sei davon etwas hängengeblieben. Und vor allem hat Hoeneß so einen möglichen Nachfolger schon vorab beschädigt. Denn der, egal wer es wird, wird sich die Frage gefallen lassen müssen, wie man sich so fühlt als Plan B.
Und Joachim Löw?
Thomas Tuchel wäre wohl der einzige Kandidat, der über solch einen Vorwurf erhaben wäre. Umgekehrt würde sich die Kränkung bei Niko Kovac wohl in Grenzen halten, würde er trotz mangelnder internationaler Erfahrung neuer Bayern-Coach werden. Und wenn Letzterer anscheinend schon nicht von Frankfurt losgeeist werden kann, so scheinen andere Kandidaten im Moment noch unwahrscheinlicher: Ralph Hasenhüttl findet sich selbst zu unerfahren, Jürgen Klopps Fußball passt nicht so recht zum Bayern-Kader. Und Joachim Löw? Der Bundestrainer hat sich zuletzt ein wenig ausweichend geäußert. Er wäre zumindest einer, für den sich ein Ablenkungsmanöver im großen Stil natürlich lohnen würde.
Man mag von solchen Spekulationen halten, was man will. Heynckes dürften sie gefallen, wie alles, was von seiner Person ablenkt.