Bayern-Trainer Heynckes Ein perfekter Abgang
Jupp Heynckes verabschiedet sich vom FC Bayern München mit dem größten Triumph im europäischen Fußball. Der 68-Jährige hat in München ein kleines Wunder vollbracht: Er hat die Säbener Straße in eine Ruhezone verwandelt. Sein Nachfolger wird es schwer haben.
Dieses Versprechen musste er noch einlösen. Jupp Heynckes war bei den Bayern-Fans im Wort, schließlich hatte er ihnen fest zugesagt, dass das Team den Europacup holen würde. Auf dem Münchner Marienplatz, vor Tausenden. Das war 1990, nachdem Heynckes mit den Bayern Deutscher Meister geworden war. Mit dem Erfüllen der Prophezeiung hat er sich 23 Jahre Zeit gelassen. Aber es ist irgendwie typisch für Heynckes. Einer wie er ruht nicht eher, bis er ein einmal gegebenes Versprechen wahr gemacht hat.
Jupp Heynckes denkt eben in längeren Zeiträumen, das ist einem 68-Jährigen auch eher gegeben als den Trainerkollegen in der Liga, die 20 oder 30 Jahre jünger sind als er. 15 Jahre nach seinem Champions-League-Triumph mit Real Madrid hat er den bedeutendsten Pokal im Vereinsfußball ein zweites Mal gewonnen. Viele haben das außer ihm nicht geschafft, den Pott mit zwei unterschiedlichen Vereinen zu holen: José Mourinho, Ottmar Hitzfeld, Ernst Happel. Heynckes gehört jetzt zu den ganz Großen.
Wer Heynckes in den vergangen Wochen und Monaten erlebt hat, jenen so oft beschriebenen, entspannten, in sich ruhenden Coach, der möchte nicht glauben, dass dieser Mann jetzt tatsächlich Ernst macht mit dem Ruhestand. Wenn sein Team am kommenden Wochenende gegen den VfB Stuttgart (Samstag 20.30 Uhr ARD, Liveticker SPIEGEL ONLINE) auch noch den deutschen Pokal einheimst, verließe Heynckes die fußballerische Bühne mit dem denkbar größten Erfolg: drei Titel pro Saison. Und dass es so gekommen ist, kann er sich zum Gutteil als seinen Verdienst zuschreiben.
So still wie unter Heynckes war es nie
Jupp Heynckes hat etwas gemacht, was an der Säbener Straße in München, diesem Zentrum der Aufgeregtheiten, bis dahin weitgehend unbekannt war. Er hat die Ruhe behalten. Heynckes ist bestimmt kein Fußballvisionär, er ist kein Taktiktüftler, der die Gegner mit einer unerwarteten Volte überrascht. Er macht keine Aufstellungstricks, er zaubert kein Supertalent aus dem Hut. Heynckes lässt einfach die Besten spielen und zwar das, was sie können. Und das ist beim FC Bayern bekanntlich eine Menge.
So still wie unter Heynckes in der Saison 2012/2013 war es möglicherweise noch nie in München. Es gab keine Quertreiber, es gab keine Trainingsprügeleien, Arjen Robben fügte sich monatelang ins Reservistendasein ein und belohnte sich dafür mit dem Siegtreffer von London. Heynckes hat das getan, was Franz Beckenbauer einst in einem berühmten Appell formulierte: "Gehts raus, und spielts Fußball." Sie gingen raus und spielten Fußball.
Dazu kam bei Heynckes eine ebenfalls komplett München-untypische Zurückhaltung, was die verbale Bearbeitung des Gegners angeht. Wenn Präsident Uli Hoeneß und Sportvorstand Matthias Sammer die Abteilung Attacke beim FC Bayern darstellen, ist Heynckes die Abteilung Etappe. Freundlich im Ton, fair in der Spielanalyse - Heynckes hat sich um die Sympathiewerte des Rekordmeisters, um die es nicht immer zum Besten steht, verdient gemacht. Man muss womöglich mittlerweile schon nach Ghana zu dem frühen Frankfurter Fußballstar Anthony Yeboah reisen, um jemanden zu finden, der dem Trainer den Triumph von London nicht von Herzen gegönnt hätte.
Er hinterlässt eine "perfekt funktionierende Mannschaft"
Er hinterlasse seinem Nachfolger "eine perfekt funktionierende Mannschaft", hat Heynckes in Richtung Josep Guardiola festgestellt und damit die Messlatte ganz oben hingelegt. Die Personalie Guardiola hat Heynckes zum Jahresbeginn verstimmt. Als die Bayern über die Verpflichtung des neuen Trainers jubelten, als habe man gerade den Messias nach München gelotst, muss sich der amtierende Coach vorgekommen sein wie die zweite Wahl.
Und angesichts der Spielzeit hatte er jedes Recht, die Frage zu stellen, warum der Verein alle Anstrengungen unternommen hat, einen neuen Weltklassetrainer zu holen, wo sie doch ganz offensichtlich bereits einen besitzen, der alles mitbringt, die Bayern zu Erfolgen zu führen. Der Spanier, der das bemerkenswerte Taktgefühl besessen hat, sich seitdem nicht einmal öffentlich zu seinem künftigen Verein geäußert zu haben, wird die Triumphe der Bayern nicht nur mit Begeisterung verfolgt haben. Was soll man denn künftig, bitte schön, noch besser machen?
Mario Götze kommt in der neuen Spielzeit hinzu, womöglich auch noch Robert Lewandowski - Heynckes spricht denn auch schon von einer "neuen Ära in Europa", der FC Bayern als das neue FC Barcelona. Das ist sozusagen das Vermächtnis des Jupp Heynckes an seinen Nachfolger.
Man darf davon ausgehen, dass es diesmal nicht 23 Jahre dauern wird, bis es eintrifft.