DFB-Sieg gegen Israel Führungsspieler verzweifelt gesucht
Der glanzlose Sieg gegen Israel zeigt: Eine Woche vor Beginn der EM ist die deutsche Nationalelf noch immer nicht in Form. Dem Team mangelt es an Kreativität, Absprachen - und an einer klaren Hierarchie. Bundestrainer Joachim Löw hat keinen echten Leader im Aufgebot.
Der Ball sauste von rechts nach links. Einmal quer über das Spielfeld des Leipziger Stadions, direkt ins Seitenaus. Während die israelische Mannschaft zum Einwurf ansetzte, gestikulierte Jérôme Boateng, der Passgeber und rechte Verteidiger, wie wild in Richtung Philipp Lahm, der diesmal auf der linken Abwehrseite spielte.
Der katastrophale Fehlpass in der 38. Minute und das anschließende Lamentieren waren bezeichnend für das Auftreten des EM-Mitfavoriten Deutschland beim glanzlosen Sieg gegen Israel. Die Szene machte einmal mehr deutlich: Klare Absprachen, Passwege oder Automatismen scheint es im DFB-Team eine Woche vor Turnierbeginn noch nicht zu geben.
Zwar gewann die Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw gegen wacker kämpfende, aber vollkommen überforderte Gäste 2:0 (1:0), offenbarte dabei aber große Schwächen. "Natürlich haben wir noch reichlich Nachholbedarf. Wir trainieren ja erst seit drei Tagen zusammen", sagte Thomas Müller SPIEGEL ONLINE. Der Passgeber zum 1:0, erzielt durch Mario Gomez, stand beim letzten Test vor der EM mit sechs weiteren Spielern des FC Bayern München in der Startformation. Der einzige Münchner, der im EM-Kader steht, aber gegen Israel nicht spielte, war der verletzte Bastian Schweinsteiger. Er saß auf der Tribüne und sah ein Spiel, welches man wohlwollend als Arbeitssieg bewerten konnte.
Analysiert man die Gründe für das schwache Auftreten des DFB-Teams, kommt man zu einer wichtigen Erkenntnis: Die elf Spieler, die Löw von Beginn an aufbot, und die zum Großteil wohl auch die Startelf im ersten Gruppenspiel gegen Portugal am 9. Juni bilden werden, sind zwar eine Ansammlung von hochtalentierten Fußballern. Der Kader bildet sogar eine der besten deutschen Nationalmannschaften der Geschichte, mit einem "krass guten Potential" (Lahm). Aber die deutsche Elf ist noch lange kein Team.
Zu kurz, zu "zerrissen", so Löw, war die EM-Vorbereitung bislang. Lauf- und Passwege sind noch viel zu wenig eingeübt worden, Standardsituation standen noch gar nicht auf den DFB-Trainingsplänen. "Keine Frage, wir müssen besser werden. Es fehlt noch sehr viel, um unseren sehr hohen Ansprüchen zu genügen", sagt Teammanager Oliver Bierhoff.
Doch nicht nur sportliche Elemente müssen noch aufgearbeitet werden. Auch die Tatsache, dass sich nach dem desolaten Auftreten gegen die Schweiz auch diesmal kein Spieler als Leader, als Kopf des Teams herauskristallisieren konnte, ist beunruhigend. "Wir haben genügend Führungsspieler. Sie werden während des Turniers voll da sein", sagt zwar Torwart Manuel Neuer. Doch wo diese gegen Israel waren, wollte - oder konnte - er nicht beantworten.
Khedira, Kroos und Özil sollen das Zentrum werden
Die Suche nach etwaigen Leadern richtet sich primär auf die wichtigste Stelle des modernen Fußballspiels: dem Mittelfeld. Dort, wo Spiele, Meisterschaften und Turniere derzeit entschieden werden. Wo Nationen wie Welt- und Europameister Spanien mit Xavi, Andrés Iniesta und Cesc Fàbregas zaubern.
Das Mittelfeld ist eigentlich auch das Prunkstück des deutschen Teams. Aufgrund der Schweinsteiger-Verletzung scheint Löw dort derzeit an einer neuen, offensiver ausgerichteten Achse zu arbeiten. Sami Khedira, Toni Kroos und Mesut Özil sollen bei der EM das Zentrum des deutschen Spiels werden.
Das Problem: Keiner von ihnen zeigte in den vergangenen zwei Testspielen, dass er die spielerische und auch persönliche Qualität für diese Herausforderung mitbringt. Özil war sowohl gegen die Schweiz als auch gegen Israel lethargisch und einfallslos. Kroos hingegen verschwand als "Zwischenspieler" (Löw) irgendwo im Nichts. Lediglich Khedira kämpfte und hatte gegen Israel auch zwei Tormöglichkeiten. Doch auch der Profi von Real Madrid war nicht der Stratege, der Denker, der für die notwendigen Tempowechsel und gefährlichen vertikalen Pässe sorgt.
"Wenn die EM losgeht, werden wir auf den Punkt da sein", verspricht Lukas Podolski. Was ihn so sicher macht? "Weil dann der Rasen brennen wird. Das heute war nur ein Test." Vielleicht hat Podolski Recht. Wenn nicht, könnte der Fall dieser Goldenen Generation ein tiefer werden. Selten ist ein DFB-Team mit solchen Vorschusslorbeeren in ein Turnier gegangen. Aber selten ließ ein DFB-Team im Vorfeld auch so viele Spekulationen über seine Form zu.
Deutschland - Israel 2:0 (1:0)
1:0 Gomez (40.)
2:0 Schürrle (82.)
Deutschland: Neuer - Boateng, Mertesacker, Badstuber, Lahm - Khedira (88. L. Bender), Kroos (86. Götze) - Müller (83. Reus), Özil, Podolski (67. Schürrle) - Gomez (67. Klose)
Isreal: Harosh - Yadin (86. Tzedek), Shpungin, Ben Haim, Tibi, Gershon - Natcho (73. Biton), Zahavi (67. Sahar), Melikson (46. Damari), Benayoun (46. Vermouth) - Shechter (46. Refaelov)
Schiedsrichter: Blom (Niederlande)
Zuschauer: 43.000 (ausverkauft)