Bielefelder Pokalsensation Das große Alm-Rauschen
Jeder gewonnene Einwurf wurde bejubelt wie ein Tor: In Bielefeld schufen die Fans eine beeindruckende Atmosphäre - und trugen ihre Mannschaft zum Pokaltriumph über Mönchengladbach. Nur Arminia-Trainer Meier feierte nicht mit.
Wenig Zeit? Am Textende gibt's eine Zusammenfassung.
Auch Fußballer können Fans sein, dafür ist Daniel Brinkmann von Arminia Bielefeld ein lebender Beweis. Vor ein paar Jahren besuchte er eine der heiligsten Stätten seines Sports. Er erlebte ein Spiel des FC Liverpool an der Anfield Road. Als Tourist, nicht als Profi. "Das ist eines der Stadien, die man gesehen haben muss", sagte Brinkmann nach dem Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Borussia Mönchengladbach, aus dem Drittliga-Tabellenführer Arminia sensationell als Sieger nach Elfmeterschießen hervorgegangen war - und das vor einer Kulisse stattgefunden hatte, die Brinkmann an seine Reise nach England erinnerte: "Was unsere Fans abgeliefert haben, kommt dem nahe", sagte er über die Stimmung auf der Bielefelder Alm.
Tatsächlich war die Atmosphäre bemerkenswert in dem mit 26.137 Zuschauern ausverkauften Stadion, das zwar dank eines Sponsors "Arena" heißt, aber wenig mit den austauschbar wirkenden Spielstätten zu tun hat, die immer häufiger werden im deutschen Profifußball. Vor dem Spiel zeigten die Fans auf der Südtribüne eine aufwendige Choreografie: In der Mitte des Ranges war ein weißes Arminia-A zu sehen, den Rest der Tribüne hüllten die Fans in Schwarz und Blau.
"Gegen Arminia kann man mal verlieren!"
In den folgenden 120 Minuten plus Elfmeterschießen sang das ganze Stadion beinahe durchgehend, nicht nur der harte Kern des Publikums auf dem Stehrang. Jeder Bielefelder Einwurf wurde bejubelt wie ein Tor, und wenn sich die Zuschauer über Schiedsrichter Wolfgang Stark aufregten, waren die Pfiffe bis in den Teutoburger Wald hörbar.
Nachdem Torwart Alexander Schwolow den entscheidenden Elfmeter von Ibrahima Traoré abgewehrt hatte, entstand auf den Tribünen ein Wimmelbild: Die Menschen purzelten übereinander, so sah es zumindest aus, Bierbecher flogen durch die Luft. Auf der Südtribüne blitzte eine Nachbildung des DFB-Pokals, auch ein Plakat war zu sehen, das einem Ortsschild nachempfunden war. "Berlin" stand darauf, Ort des Endspiels.
"Gegen Arminia kann man mal verlieren!", sangen die Fans in Richtung des deprimierten Favoriten aus Mönchengladbach. Die Bielefelder Spieler feierten den dritten Einzug ins Halbfinale des nationalen Pokal-Wettbewerbs nach 2005 und 2006 auf dem Zaun vor der Fankurve. "Das sind die Momente, für die wir täglich arbeiten", sagte Liverpool-Besucher Brinkmann.
Wenn nicht alles täuscht, hat die betörende Atmosphäre auf der Alm ihren Beitrag zu Arminias Einzug ins Halbfinale geleistet. Schon die Außenseitersiege gegen Hertha BSC und Werder Bremen waren dem Drittligisten vor eigenem Publikum gelungen. "Es macht einen Riesenunterschied, ob wir auswärts oder zu Hause spielen", sagte Brinkmann.
Daher ist es eine gute Nachricht für die Bielefelder, dass auch das Halbfinale im eigenen Stadion stattfinden wird. Am 29. April kommt der VfL Wolfsburg, und voraussichtlich wird ein großer Teil des deutschen Fußballpublikums dem traditionsreichen Drittligisten im Duell mit dem Werksklub aus Niedersachsen den Sieg wünschen. Weil Bielefeld für echten Fußball steht, für Leidenschaft auf dem Rasen und den Rängen, während Wolfsburg aus Sicht der konservativen Fanfraktion ein Kommerzprodukt darstellt, das die Fußballkultur bedroht. Wie auch immer man diese definieren mag.
Der Einzug ins Halbfinale entschädigt Arminia Bielefeld für jüngst durchlebte Leiden. Unter dramatischen Umständen stieg die Mannschaft in der vergangenen Saison aus der zweiten Liga ab. "Wir mussten eine neue Mannschaft formieren und uns wieder ans Gewinnen gewöhnen", sagte Trainer Norbert Meier nach dem Spiel gegen Mönchengladbach, und mittlerweile sind Siege wieder zur Gewohnheit geworden. Die Mannschaft führt die dritte Liga mit komfortablem Vorsprung an, in der kommenden Saison wird das Publikum auf der Alm mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder Zweitligafußball sehen.
Trainer Meier lobt die Disziplin
Gegen Mönchengladbach zeigte Meiers Mannschaft, dass sie gefestigt ist. Natürlich, die Gäste hatten deutlich mehr vom Spiel, erreichten fast 77 Prozent Ballbesitz. Die besseren Chancen hatten aber die Bielefelder, die durch den hübschen Schlenzer von Manuel Junglas in Führung gegangen waren und nach dem Ausgleich von Max Kruse per Elfmeter die Ruhe behielten. "Meine Mannschaft hat über 120 Minuten diszipliniert gespielt", lobte Meier am Ende eines "denkwürdigen Abends".
Dass die Bielefelder durch den Einzug ins Halbfinale ein Pflichtspiel mehr haben, ist für den Trainer allerdings nicht nur Grund zur Freude. Seiner Meinung nach ist der Kader nicht dafür gemacht, ständig englische Wochen zu bestreiten. Deshalb verzichtete Meier darauf, den Erfolg gegen Mönchengladbach ausgiebig zu feiern: "Ich gehe jetzt nach Hause und gucke mir die Aufzeichnung von Dynamo Dresden an." Von Bielefelds kommendem Gegner in der dritten Liga.
Arminia Bielefeld - Borussia Mönchengladbach 5:4 i. E. (1:1, 1:1)1:0 Junglas (26.)
1:1 Max Kruse (32., Handelfmeter)
Elfmeterschießen:
1:0 Klos
2:0 Dick
2:1 Johnson
3:1 Ulm
3:2 Xhaka
4:2 Brinkmann
4:3 Brouwers
4:4 Kruse
5:4 Burmeister
Bielefeld: Schwolow - Dick, Burmeister, Salger, Schuppan - Junglas (46. Brinkmann), Schütz - Hemlein, Christian Müller (100. Ulm), Mast (76. Lorenz) - Klos
Mönchengladbach: Sommer - Jantschke, Brouwers, Dominguez, Wendt - Kramer, Xhaka - Herrmann (69. Traoré), Hazard (99. Johnson) - Hahn (79. Raffael), Max Kruse
Schiedsrichter: Stark
Zuschauer: 26.137
Gelbe Karten: Klos, Junglas, Burmeister, Ulm - Hahn (2), Hazard, Brouwers (2), Xhaka (2)
Zusammengefasst: Arminia Bielefeld ist die dritte Pokalsensation der Saison gelungen. Nach dem Sieg über Mönchengladbach träumt das Team von Norbert Meier vom Finale. Es setzt dabei auf die Atmosphäre im Stadion.