Heynckes' letztes Pflichtspiel Und gut is
Jupp Heynckes tritt als Trainer mit einer Niederlage ab. Seine Trauer darüber hält sich in Grenzen, er kann jetzt wieder Ruheständler sein. Auf seinen Nachfolger dagegen wartet Arbeit.
Den Gentleman vergisst Jupp Heynckes auch im letzten Moment nicht. Seine Bayern hatten gerade das Pokalendspiel gegen Eintracht Frankfurt 1:3 verloren, statt der drei angepeilten Titel ist nur die Meisterschaft übrig geblieben. Gemessen an den Münchner Ansprüchen war es also keine erfolgreiche Saison. Die Mannschaft hatte sich schleunigst in die Kabine verkrümelt, während der Gegner feierte. Aber dem Trainer war es das erste Anliegen, erst einmal dem Sieger zu gratulieren.
Dass seine Elf in der Nachspielzeit einen Elfmeter hätte bekommen müssen - auch kein großes Thema für den 73-Jährigen. "Was nützt es, darüber zu lamentieren? Wir haben es vorher versäumt, Tore zu schießen." Das muss die Altersweisheit sein.
Es war das wirklich allerallerletzte Pflichtspiel des Bayerntrainers, und ständig wurde er gefragt, wie es ihm denn jetzt gehe, was er denke, was er fühle? Doch Heynckes, der sonst keine großen Probleme damit hat, sich von der Rührung übermannen zu lassen, konnte nicht mit großen Emotionen dienen. "Ich muss jetzt erst einmal Abstand bekommen, im Moment mache ich mir nicht so viele Gedanken über mich selbst."
Niko Kovac hat ab Juli einiges zu tun
Die Gedanken über die Mannschaft muss sich ab sofort ohnehin ein anderer machen: Niko Kovac. Der Sieger vom Samstagabend tritt am 1. Juli die Nachfolge des Grandseigneurs an. Die Vorstellung, die der Rekordmeister gegen die Eintracht darbot, könnte allerdings ein Fingerzeig sein, dass Kovac mehr Arbeit hat, als man dies einem Bayerntrainer normalerweise zutrauen muss. Eventuell braucht dieser FC Bayern doch größere Renovierungsarbeiten. Und zwar schon sehr bald.
Präsident Uli Hoeneß möchte am liebsten ohne große Transfer-Investitionen auskommen. Vielmehr werde man das vorhandene Personal "dazu bringen müssen, besser zu spielen" als gegen die Eintracht, sagte Hoeneß am am Sonntag in München im Gespräch mit mehreren Medien. "Wir brauchen den ein oder anderen Spieler, der in den wichtigen Spielen Höchstleistungen bringt - und nicht, wenn wir gegen die schwachen Gegner spielen, daran müssen wir arbeiten."
Wie schon in der Champions League gegen Real Madrid ließ das Team zahlreiche Chancen ungenutzt, wirkte in der Defensive anfällig, das zentrale Mittelfeld produzierte kaum Ideen, mit Franck Ribéry war ein 35-Jähriger noch der Quirligste und Engagierteste.
"Die leichtsinnigen Ballverluste ziehen sich durch die ganze Saison", zeigte sich Abwehrboss Mats Hummels frustriert. Er selbst hatte das entscheidende Laufduell vor dem 1:2 gegen Ante Rebic dermaßen klar verloren, dass sich Bundestrainer Joachim Löw auf der Tribüne ins Notizbuch geschrieben haben dürfte: Fitness. Mit drei Ausrufezeichen.
"Vielleicht kommt ja mehr Spannung rein"
Heynckes hatte "eine ungeordnete Defensive" bei seiner Mannschaft gesehen. Eine schlampige Aktion von James Rodríguez ermöglichte das frühe 0:1 durch Rebic, "da muss man sich nicht wundern, wenn man in Rückstand gerät", verzichtete der Trainer dann doch mal kurz auf seine Gelassenheit. Das 1:4 in der Vorwoche in der Liga gegen den VfB Stuttgart war dann wohl doch nicht nur ein einziger Ausrutscher. Heynckes kam ungefragt auf die Zukunft der Mannschaft zu sprechen: "Viele in Deutschland freuen sich ja jetzt, dass auch mal ein Anderer den Pokal gewinnt, weil ja so viel von Langeweile die Rede ist. Vielleicht kommt künftig ja mehr Spannung rein."
Viele hatten vor dem Spiel nur die Höhe des Sieges diskutiert, nach dem 1:1-Ausgleich von Lewandowski hatten wohl auch in der Mannschaft einige gedacht, dass jetzt die Dinge ihren gewohnten Lauf nehmen. Dass die Bayern nach der Partie der Frankfurter Siegerehrung fern geblieben und schon in der Kabine verschwunden waren, habe aber nichts mit Frust oder schlechtem Verlieren zu tun gehabt, beteuert Heynckes. "Das war ein Missverständnis. Hätte ich die Abläufe genau gekannt, hätte ich die Mannschaft natürlich sofort wieder raus auf den Platz geschickt." Ihm möchte man das abnehmen.
Vor 45 Jahren hat Jupp Heynckes sein erstes Pokalendspiel bestritten, es war die legendäre Partie zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln, jenes Abschiedsspiel von Günter Netzer, das in keiner Veteranengeschichte über den früher besseren Fußball fehlen darf. 45 Jahre später noch einmal ein Finale, auch wenn es diesmal nicht gut ausgegangen ist - wer im Fußball kann das von sich behaupten?
Ab sofort ist Heynckes wieder Ruheständler, es wird jetzt noch ein paar würdigende Texte geben, in denen vermutlich sein Hund und der Bauernhof im Niederrheinischen eine Rolle spielen werden. Dann ist Ruhe. "Ab nächste Woche will ich mein Leben genießen", er sei "schließlich keine 45 oder 50 mehr, ich kann meine Kräfte überblicken". Jetzt nur noch die Meisterfeier, die am Sonntag Mittag in nun etwas merkwürdiger Katerstimmung stattfinden wird. "Auch das werden wir noch überstehen."
Es sei ihm noch einmal "ein Privileg gewesen, mit großartigen Spielern zusammenzuarbeiten", sagte Jupp Heynckes. Für die Spieler war es ein Privileg, mit diesem Trainer zusammenzuarbeiten.
Mit Material vom sid